Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen umsatzsteuerrechtlich relevanter Kommissionsgeschäfte bei Kfz-Handel unter Einschaltung von Exportdienstleistern
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Annahme eines umsatzsteuerlich relevanten Kommissionsgeschäfts ist es erforderlich aber ausreichend, dass der Kommissionär in eigenem Namen und auf fremde Rechnung handelt. Dass er - gleich einem Makler - die Gelegenheit zum Vertragsschluss nachweist, ist nicht notwendig. Insofern scheidet eine Lieferung nicht schon deshalb aus, wenn der Kommissionär nicht auf eigene Rechnung handelt und kein Unternehmerrisiko trägt. sondern lediglich eine Provision erhält, da dies gerade kennzeichnend für ein Kommissionsgeschäft ist.
2. Sind Kommissionsgeschäfte Lieferungen gleichgestellt und steht es der Annahme mehrerer Lieferungen nicht entgegen, dass der Gegenstand unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt, so ist grundsätzlich auch ein Kommissionsgeschäft möglich, bei dem der Gegenstand unmittelbar vom Verkaufskommittenten zum Erwerber oder vom Veräußerer zum Einkaufskommittenten gelangt.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 6 S. 5
Tatbestand
I.
Streitig ist in der Hauptsache, ob die Antragstellerin Vorsteuer abziehen kann, weil sie steuerpflichtige Lieferungen von anderen Unternehmern bezogen hat.
Die Antragstellerin war in den Streitjahren 2009 bis 2015 zunächst von B-Stadt, dann von A-Stadt aus im innergemeinschaftlichen Handel mit Kraftfahrzeugen tätig. Wollte ein inländischer Unternehmer ein Fahrzeug - zumeist über eine Internetplattform - verkaufen und ein Unternehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet dieses Fahrzeug kaufen, der Inländer aber keine innergemeinschaftliche Lieferung durchführen, schloss sie im eigenen Namen Kaufverträge, wonach der inländische Unternehmer das Fahrzeug mit Umsatzsteuerausweis an sie und sie das Fahrzeug ohne Umsatzsteuerausweis an den Unternehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet verkaufte. Dafür erhielt sie eine Provision von 4,5% des Nettokaufpreises, mindestens 450 €. Die Initiative für ihre Einschaltung ging dabei teils von dem Verkäufer, teils von dem Käufer aus. Typischerweise holte der Käufer das Fahrzeug zugleich als Bevollmächtigter der Antragstellerin unmittelbar beim Verkäufer ab. Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat aber auch selbst Fahrzeuge überführt, teilweise wurden die Fahrzeuge an anderen Treffpunkten übergeben. Die Zahlungen liefen unterschiedlich, teils in bar, teils per Überweisung. Wegen der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung dieses Geschäftsmodells beantragte die Antragstellerin mehrmals erfolglos verbindliche Auskünfte bei den jeweils zuständigen Finanzämtern. Einen Antrag mit Schreiben vom 08.04.2010 lehnte das damals zuständige Finanzamt B-Stadt aus formalen Gründen ab. Im Sommer 2015 stellte die Antragstellerin den Geschäftsbetrieb ein. Im Dezember 2017 beantragte sie die Zuteilung einer Steuernummer beim Finanzamt C-Stadt. Das Finanzamt C-Stadt lehnte den Antrag ab, da die Antragstellerin in C-Stadt keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe.
In ihren Umsatzsteueranmeldungen zog die Antragstellerin die von den Verkäufern ausgewiesene Vorsteuer ab. Dazu gehörte im Jahr 2014 auch Vorsteuer von insgesamt 205.902 € aus Rechnungen über die Lieferung von Fahrzeugen, die sie ausweislich ihrer Ausgangsrechnungen steuerfrei weiterlieferte, zumeist an eine von zwei personell verflochtenen Firmen in D und in E. Neben den Belegen für eine Lieferkette unter Beteiligung der Antragstellerin gibt es für diese Fahrzeuge jeweils auch Belege über eine andere, davon unabhängige Lieferkette, die beim Hersteller beginnt und etwas früher als die Lieferkette unter Beteiligung der Antragstellerin ebenfalls zu einer der beiden miteinander verflochtenen Firmen führt. In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2009 bis 2013 und in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für 2014 und Januar bis April 2015 berechnete die Antragstellerin die Vorsteuer aus Rechnungen von anderen Unternehmern - für 2014 einschließlich des soeben genannten Betrages - und Umsatzsteuer wie folgt (jeweils in €):
|
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
2013 |
Vorsteuer |
5.564,79 |
399.678,41 |
680.660,27 |
517.574,93 |
296.637,39 |
Umsatzsteuer |
-5.564,79 |
-396.086,08 |
-656.259,71 |
-227.325,82 |
-33.637,09 |
|
2014 |
Januar 2015 |
Februar 2015 |
März 2015 |
April 2015 |
Vorsteuer |
1.985.760,53 |
104.132,91 |
94.701,96 |
174.625,21 |
131.446,71 |
Umsatzsteuer |
-1.373.599 |
-99.496 |
-87.873 |
-155.536 |
-117.527 |
Die Umsatzsteuererklärung 2009 ging am 11.11.2010 bei dem damals zuständigen Finanzamt ein. Alle Steuererklärungen und Voranmeldungen wirkten nach Zustimmung des Antragsgegners (des Finanzamts) als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Mai 2013 fand bei der Antragstellerin eine Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2011 statt. Die Steuerfestsetzungen für 2009 und 2010 bestanden danach unverändert unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fort. Für 2011 versagte das Finanzamt aufgrund der Außenprüfung den Vorsteuerabzug aus zwei einzelnen Geschäftsvorgängen,...