Entscheidungsstichwort (Thema)
Dem Rechtsinstitut der anschaffungsnahen Aufwendungen ist keine steuerrechtliche Bedeutung mehr beizumessen. Einkommensteuer 1997
Leitsatz (amtlich)
Der bisher von der Rechtsprechung angestellten und wohl nur theoretisch wiederlegbaren Vermutung, dass allein aus der Höhe von Modernisierungsaufwendungen und ihrer zeitlichen Nähe zur Anschaffung einer gebrauchten Immobilie auf eine wesentliche Verbesserung geschlossen werden könne (sog. anschaffungsnahe Aufwendungen), kommt keine steuerrechtliche Bedeutung mehr zu. Daher sind im Jahr der Anschaffung angefallene Aufwendungen von mehr als 15 % der Anschaffungskosten, die weder zu einer Erweiterung der Wohnung geführt, noch ihren Gebrauchswert deutlich erhöht haben, als Erhaltungsaufwendungen anzusehen, und somit als Vorkosten nach § 10 i EStG abzugsfähig.
Normenkette
EStG 1997 § 10i Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 10.04.1998 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung dahin geändert, daß die Einkommensteuer 1997 auf 6.852,– DM festgesetzt wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob den Klägern ein Sonderausgabenabzug nach § 10 i Abs. 1 Nr. 2 a EStG zusteht oder ob dem die Behandlung der entsprechenden Aufwendungen als anschaffungsnahe Aufwendungen entgegensteht.
Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 23.12.1996 eine gebrauchte Eigentumswohnung von ihren Eltern, denen sie ihrerseits am 26.05.1997 eine nahezu gleich große Eigentumswohnung in dem selben Gebäude veräußerte. Für die erworbene Eigentumswohnung beantragten die Kläger im Mai 1997 eine Eigenheimzulage. Die Kosten der Anschaffung bezifferten sie mit 138.729,– DM. Dieser Betrag setzte sich aus dem Kaufpreis für die 137 qm große Wohnung in Höhe von 110.000,– DM, den Anschaffungsnebenkosten und den Kosten für die Erneuerung des Bades zusammen, die mit 27.600,– DM ermittelt wurden.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung (Anlage FW 1997) machten die Kläger neben der Vorkostenpauschale nach § 10 i Abs. 1 Nr. 1 EStG sogenannte Vorkosten nach § 10 i Abs. 1 Nr. 2 a EStG in Höhe von 22.500,– DM geltend. Nach den Ermittlungen des Finanzamts lagen diesen Vorkosten Aufwendungen in Höhe von 24.996,– DM zugrunde.
Das Finanzamt lehnte im Einkommensteuerbescheid vom 07.04.1998 den nach § 10 i Abs. 1 Nr. 2 a EStG beantragten Abzug für die geltend gemachten Vorkosten ab und begründete die Ablehnung damit, daß die Aufwendungen 15% der Anschaffungskosten überschritten hätten und deshalb als anschaffungsnahe Aufwendungen zu behandeln seien.
Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung wiesen sie auf die von ihnen nach der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung vor der Erstellung des Einkommensteuerbescheides eingereichte berichtigte Anlage FW hin, in der die Vorkosten mit 14.000,– DM beziffert waren. Das Finanzamt habe diese Berichtigung nicht berücksichtigt, sei aber zur Berichtigung von Erklärungen angehalten, wenn diese offensichtlich versehentlich oder aus Unkenntnis unrichtig abgegeben worden seien (§ 89 AO).
Der Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung führte das Finanzamt folgendes aus:
Dem Vorkostenabzug stünden die Rechtsprechung zu den anschaffungsnahen Aufwendungen und die entsprechenden Einkommensteuerrichtlinien entgegen, die auch im Rahmen des § 10 i EStG zur Abgrenzung der Erhaltungsaufwendungen von den Herstellungs-/Anschaffungskosten zu beachten seien. Im Jahr der Anschaffung seien nach den vorliegenden Unterlagen und Angaben der Klägerin brutto 52.526,– DM (netto 45.675,– DM) an Modernisierungskosten angefallen, wovon die Kläger selbst die Aufwendungen für Bad und Küche als Herstellungskosten bei der Eigenheimzulage beantragt hätten. Damit sei bei Anschaffungskosten von 110.000,– DM auch ohne Aussonderung des Anteils für Grund und Boden die Grenze für die Annahme anschaffungsnaher Aufwendungen überschritten, ohne daß es einer näheren Aufschlüsselung der Anschaffungskosten bedürfe. Die geänderte Angabe in ihrer berichtigen Anlage FW ändere daran nichts. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus § 89 AO, da von den Klägern weder offensichtlich versehentlich noch aus Unkenntnis eine unrichtige Erklärung abgegeben worden sei. Vielmehr seien die Angaben der Kläger richtig und vollständig, wenn auch mit einer für sie nachteiligen Folge.
In der dagegen erhobenen Klage habe die Kläger folgendes vortragen lassen:
Die von den Klägern durchgeführten Modernisierungen würden zweifellos Instandhaltungen darstellen. Weder sei die Wohnung erweitert noch wesentlich verbessert noch die Nutzungsdauer der Wohnung verlängert worden. Die getätigten Erhaltungsaufwendungen seien nicht in einem niedrigeren Kaufpreis berücksichtigt gewesen. Vielmehr resultiere der vergleichsweise günstige Preis aus dem Verwandtschaftsverhältnis. Der Erhaltungsaufwand sei mit 22.921,– DM auch nicht als außerordentlich hoch einzustufen....