rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist durch Kindergeldantrag
Leitsatz (amtlich)
1. Als außerprozessuale empfangsbedürftige Verfahrenserklärung ist ein Kindergeldantrag entsprechend §§ 133, 157 BGB auszulegen, sofern er auslegungsbedürftig ist.
2. Im Antrag auf Kindergeld müssen neben der Person des Antragstellers auch die Kinder, für die Kindergeld begehrt wird, namentlich benannt werden, um eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO vor Eintritt der Festsetzungsverjährung herbeizuführen. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller für alle Kinder Kindergeld begehrt.
Normenkette
EStG § 67; BGB §§ 133, 157; AO § 171 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist das Kindergeld für K (geb. xx.03.1993) und L (geb.: xx.10.1991).
Die Klägerin, eine rumänische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Rumänien, beantragte mit schriftlichem Antrag auf Kindergeld mit dem amtlichen Antragsformular vom 29.11.2012, welcher bei der Familienkasse am 07.01.2013 einging, Kindergeld für ihre Kinder K und L. Die Klägerin legte diesem Schreiben eine Sterbeurkunde des A. aus dem Jahr 2002, die Geburtsurkunde und eine Schulbescheinigung für das Kind K für 2012 sowie eine Schulabschlussbescheinigung für L vom 10.07.2012 bei. Dem Antragsformular lag ein mit dem Datum 28.12.2012 versehenes Schreiben der Prozessbevollmächtigten bei, in dem diese für die Klägerin Kindergeld ab 2008 beantragt. Über der Adresszeile des Schreibens ist angegeben: "vorab per Fax".
Mit weiteren Schreiben vom 12.02.2013, 01.03.2013 und 08.05.2013 legte die Prozessbevollmächtigte u.a. die ausgefüllten Vordrucke E 401, E 402, und E 411, einen Beschäftigungsnachweis der Firma Z, den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen für 2008 bis 2011 sowie Einkommensteuerbescheide des Finanzamts für 2008 bis 2011 für die Klägerin zum Nachweis einer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG vor.
Mit Bescheid vom 26.08.2014 lehnte die nunmehr zuständige Familienkasse Kindergeld für die Zeit vor Januar 2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Antrag auf Kindergeld erst am 07.01.2013 bei ihr eingegangen und ein Kindergeldanspruch für die Zeit vor Januar 2009 verjährt sei.
Im Einspruchsverfahren trug die Prozessbevollmächtigte vor, dass der Kindergeldantrag für 2008 bereits am 28.12.2012 an die versandt worden sei.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.
Die Prozessbevollmächtigte hat Klage erhoben und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:
Die Klägerin erfülle als EU-Bürgerin und Arbeitnehmerin in Deutschland die Kindergeldvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 b EStG.
Die beklagte berufe sich zu Unrecht darauf, dass zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bereits eine Festsetzungsverjährung für das Jahr 2008 eingetreten sei. Die Prozessbevollmächtigte habe den Antrag auf Kindergeld für die Klägerin bereits am 31.12.2012 und damit für das Jahr 2008 rechtzeitig gestellt. Sie habe am 31.12.2012 um 13.53 Uhr den Antrag an die Familienkasse gefaxt. Zum Nachweis fügte sie den Sendebericht eines Faxes bei, wonach am 31.12.2012 um 13.53 Uhr vier Seiten an die Empfängeradresse 49 0000 000 111 000 gefaxt wurden. Als Ergebnis der Übermittlung wird im Sendebericht "O.K." angeführt.
Durch das Telefaxprotokoll sei nachgewiesen, dass der Antrag auf Kindergeld noch im Jahr 2012 bei der Beklagten eingegangen sei. Aus dem Journal der Telefaxübertragungen der Prozessbevollmächtigten vom 31.12.2012 sei ersichtlich, dass an die Telefax-Nr. 49 0000 000 111 000 ein Schreiben mit der Dauer von 2 Minuten 12 Sekunden und mit der erteilten Job-Nummer von 2168 versandt worden sei. Diese Fax-Nummer sei die Fax-Nummer der Familienkasse. In der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten sei am 31.12.2012 eine Vielzahl von Telefax-Mitteilungen an diese Familienkasse und an andere verschiedene Familienkassen ergangen. Das Fax-Journal weise nur unter der Job-Nummer 2168 eine Fehlübertragung an eine nur um die Endziffer differierende Fax-Nummer aus. Hier sei es zu keiner Übertragung gekommen. Jedoch sei die Übertragung an diese Familienkasse unter der Job-Nummer 2163 ordnungsgemäß erfolgt, was auch durch den "OK-Vermerk" bestätigt werde. Wenn die Familienkasse ihre Telefax Nummer bekannt gebe, müsse sie auch ein einwandfreies Funktionieren der Empfangsgeräte gewährleisten.
Der Bundesgerichtshof habe mittlerweile bestätigt, dass durch den OK-Vermerk auf dem Sendebericht das Zustandekommen einer Verbindung mit der in der Faxbestätigung genannten Nummer belegt werde (BGH-Urteil vom 19.02.2014 IV ZR 163/13). Daher sei es nicht ausreichend, wenn der genannte Empfänger sich auf das Bestreiten des Zugangs beschränke. Er sei verpflichtet, sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungspflicht dazu zu äußern, welches Gerät er an der fraglichen Gegenstelle betreibe, ob die Verbindung im Speicher enthalten sei und ob und gegebenenfalls in welcher Weise er ein Empfangsjournal führe und dies gegebenenfalls vorlegen könne. Die habe jedoch kein Empfangsjournal vorgelegt und auch die sonstigen Frag...