Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungsverjährung: Maßgeblichkeit / Zurechnung der Kenntnisse der Betriebsprüfung
Leitsatz (redaktionell)
1. Kenntnisse der Betriebsprüfung sind der für die Befugnis zur Entscheidung über den Steueranspruch zuständigen Finanzbehörde nicht zuzurechnen.
2. Maßgeblich ist die Kenntnis der zuständigen Personen der Betriebsprüfung allerdings dann, wenn die Betriebsprüfung entsprechend § 195 Satz 3 AO die Veranlagung selbst durchführt.
Normenkette
AO § 170 Abs. 5 Nr. 2, § 195 S. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob die Festsetzungsverjährung dem Erlass des angegriffenen Bescheides entgegensteht und die Bemessungsgrundlage der festgesetzten Schenkungsteuer.
Der Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstreitig und entspricht weitestgehend den im gegenüber denselben Beteiligten ergangenen Urteil vom 27.07.2017 im Verfahren 4 K 1301/14 festgestellten Tatsachen.
Die Klägerin erhielt am 23.05.2000 von der AG eine Provisionszahlung in Höhe von netto (ohne Umsatzsteuer) 33.164,40 DM. Die Beteiligten sind sich grundsätzlich einig, dass von dieser Zahlung entsprechend den im Urteil vom 27.07.2017 niedergelegten Grundsätzen 18.773,53 DM als eine Schenkung ihres Ehemanns an sie der Schenkungsteuer unterliegt.
Ausweislich eines Aktenvermerks vom 14.08.2012 informierte die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts 1 die Schenkungssteuerstelle des beklagten Finanzamts (wohl an diesen Tag) im Wege der persönlichen Vorsprache darüber, dass die Firmengruppe A derzeit geprüft werde und über die Tatsache, dass es Provisionszahlungen der AG an die Klägerin gebe. Sie überließ der Schenkungsteuerstelle eine Aufstellung "Provisionserlöse" mit kumulierten Jahresbeträgen für den Zeitraum 2000 bis 2010, einen diese Zahlungen betreffenden Vergütungsvertrag aus dem Jahr 2002 und Teile der Akten der Vorprüfung, in der diese Zahlungen als gewerbliche Einkünfte der Klägerin gewertet wurden.
Mit Schreiben vom 20.08.2012 beauftragte das beklagte Finanzamt das Finanzamt 1 "gemäß § 195 Satz 2 AO" mit einer Betriebsprüfung u.a. bei der Klägerin für den Zeitraum 01.01.2000 bis 30.06.2012. Ausdrücklich wurde die Befugnis zur Erteilung einer Prüfungsanordnung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Betriebsprüfungsordnung (BpO) erteilt. Das Schreiben enthält keinen Hinweis auf eine Veranlagung, aber die Bitte, den Abschluss der Prüfung zeitnah mitzuteilen. Das Schreiben ist gerichtet an die "BP-Stelle" und nennt unter "unser Aktenzeichen" die Bearbeiterkennung "BP/B".
Der zuständige Sachgebietsleiter des Schenkungsteuerstelle verfasste unter dem 14.12.2012 eine allgemeine Stellungnahme zur Frage, ob die von der Klägerin erhaltenen Zahlungen als Schenkungen zu erfassen sein. Konkrete Daten und Zahlen enthält diese Stellungnahme nicht.
Mit Schreiben vom 11.07.2013 forderte der Sachgebietsleiter der Schenkungsteuerstelle die Klägerin auf, die durch die Betriebsprüfung angeforderten Zahlungsbelege und etwaige sonstige Unterlagen betreffend Zahlungen der AG an die Klägerin dem Betriebsprüfer zugänglich zu machen.
Mit Schenkungsteuerbescheid vom 06.08.2018 setzte das Finanzamt gegenüber der Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 1.826 € fest. Die dabei angesetzten Vorerwerbe in Höhe von 3.391.498,68 DM und der resultierende Anrechnungsbetrag in Höhe von 530.366 € sind unstreitig (vgl. Protokoll der mündlichen Sitzung am 29.03.2021).
Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Mit ihrer fristgerechten Klage beantragt die Klägerin,
den Schenkungsteuerbescheid vom 06.08.2018 ersatzlos aufzuheben, hilfsweise, die Schenkungsteuer dahingehend abzuändern, dass aus der Bemessungsgrundlage die von der Klägerin auf die schenkweise erhaltene Zahlung entrichtete Einkommen- und Gewerbesteuer ausgeschieden wird.
Sie begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt:
Die Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer sei zu hoch, da die bei der Klägerin eingetretene Vermögensmehrung durch die für diese Zahlung aufgrund der früheren abweichenden steuerlichen Behandlung entrichteten Steuern vermindert worden sei.
Dem Bescheid vom 06.08.2018 stehe die Festsetzungsverjährung entgegen. Das die Betriebsprüfung durchführende Finanzamt habe bereits in 2013 volle Kenntnis von der Schenkung gehabt; das beklagte Finanzamt müsse sich diese durch die in seinem Auftrag durchgeführte Außenprüfung gewonnene Kenntnis zurechnen lassen. Dies ergebe sich insb. aus§ 195 Satz 3 Abgabenordnung (AO), der insoweit eine Befugniserweiterung und Kompetenzverlagerung ausspreche. Eine Kenntnis des so "bevollmächtigten" Finanzamts sei stets auch dem "Vollmachtgeber", mithin dem beklagten Finanzamt zuzurechnen.
Das Finanzamt beantragt Klageabweisung und begründet dies im Wesentlichen damit, dass es selbst erst durch den Eingang des Betriebsprüfungsberichts in der Schenkungssteuerstelle im Jahr 2014 volle Kenntnis von den die Schenkung begründenden Tatsachen erhalten habe und sich eine Kenntnis des beauftragten Prüfungsfinanzamts nicht zurechnen lassen müsse.
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 10.07.2021 auf ...