Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH I B 29/13)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Behandlung von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen bei Hinzurechnung des Grundfreibetrags auf die inländischen Einkünfte, Nichtanerkennung von Vorsorgeaufwendungen und Versagung des Ehegattensplittings
Leitsatz (redaktionell)
Beschränkt Steuerpflichtige können nicht den bei unbeschränkt Steuerpflichtigen zu berücksichtigenden Grundfreibetrag sowie den Sonderausgabenabzug für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge beanspruchen, denn mit dem Grundfreibetrag und dem Sonderausgabenabzug soll das unabweisbare Lebenshaltungsbedürfnis des Einzelnen im Wohnsitzstaat berücksichtigt werden.
Die unterschiedliche Behandlung beschränkt Steuerpflichtiger im Vergleich zu unbeschränkt Steuerpflichtigen verletzt nicht Art. 6 Abs. 1 GG, da die unterschiedliche Behandlung nicht an die Tatsache der Verheiratung anknüpft, sondern an den Umstand, dass keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht und damit die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG nicht erfüllt sind.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 26 Abs. 1, § 50 Abs. 1 Sätze 2-3
Tatbestand
Streitig ist, ob der mit seinen inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtige Kläger Anspruch darauf hat, wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt zu werden.
Der verheiratete Kläger lebt in Frankreich. Er wurde vom Finanzamt für das Streitjahr 2011 als beschränkt steuerpflichtig behandelt.
Er erzielte im Streitjahr 2011 im Inland Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 3.042 € und eine Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung i. H. v. 23.055 € (steuerpflichtiger Anteil 12.447 €).
Daneben erzielte er eine in Frankreich steuerpflichtige Betriebsrente i. H. v. 13.207,92 (netto 10.553 €). Seine Ehefrau erzielte keine Einkünfte.
Das beklagte Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2011 zunächst mit Bescheid vom 03.07.2012 auf 3.311 € fest.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 22.07.2012 Einspruch und erhob grundsätzliche Einwendungen gegen das System der beschränkten Steuerpflicht. Die Addition des Grundfreibetrags auf die inländischen Einkünfte, die Nichtanerkennung der Vorsorgeaufwendungen und die Versagung des Ehegattensplittings verstießen seiner Auffassung nach gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -). Ein Wechsel in die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht werde ihm verweigert, da seine Betriebsrente nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich in seinem Wohnsitzland Frankreich zu versteuern sei und dadurch die 10-%-Grenze des § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - überschritten werde.
Das Finanzamt setzte im Einspruchsverfahren mit Bescheid vom 19.09.2012 die Einkommensteuer 2011 auf 3.217 € herab, da noch ein bisher versehentlich unberücksichtigter Mitgliedsbeitrag zu einer politischen Partei gem. § 34g Nr. 1 EStG hälftig von der tariflichen Einkommensteuer zum Abzug gebracht wurde.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung |
3.042 € |
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Sonstige Einkünfte (Rente) |
23.055 € |
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davon steuerpflichtig |
12.447 € |
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abzüglich WK-Pauschbetrag |
102 € |
12.345 € |
abzüglich Altersentlastungsbetrag |
1.169 € |
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zu versteuerndes Einkommen |
14.218 € |
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fiktive Hinzurechnung des Grundfreibetrages i. H. v. 8.004 € |
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Einkommensteuer lt. Grundtarif auf 22.222 € |
3.311 € |
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abzüglich halber Mitgliedsbeitrag zu einer politischen Partei |
94 € |
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festgesetzte Einkommensteuer 2011 |
3.217 € |
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Mit Einspruchsentscheidung vom 25.09.2012 wies das Finanzamt den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Einkommensteuer sei nach den gesetzlichen Vorschriften festgesetzt worden. § 50 EStG stelle eine Sondervorschrift für beschränkt Steuerpflichtige dar. Danach dürften die inländischen Einnahmen nur um die damit zusammenhängenden Kosten gemindert werden. Das zu versteuernde Einkommen werde gem. § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG um den Grundfreibetrag erhöht. Persönliche Verhältnisse könnten nur im Wohnsitz-, nicht aber im Quellenstaat berücksichtigt werden. So seien gem. § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG weder Vorsorgeaufwendungen anzusetzen noch das Ehegattensplitting zu gewähren. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (Entscheidung vom 24.09.1965 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119) verfassungsrechtlich zulässig und stelle keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar. Die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse allein im Wohnsitzstaat sei eine zulässige Typisierung (Entscheidung des BVerfG vom 12.10.1976 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1). Auch § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG sei verfassungsgemäß (Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 12.07.2012 3 K 4435/11, EFG 2012, 1932). Das BVerfG habe es als verfassungsgemäß angesehen, dass allein bei Arbeitnehmern der Grundfreibetrag nicht hinzugerechnet werde (Entscheidung vom 09.02.2010 1 BvR 1178/07, BFH/NV 2010, 1069). Auch europarechtlich sei die Differenzierung zwischen Gebietsfremden und Ansässigen ...