Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis
Leitsatz (redaktionell)
§ 62 Abs. 2 EStG ist einschränkend verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Ausschluss der Kindergeldberechtigung für solche Ausländer nicht gilt, die auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können und die sich seit mindestens 1 Jahr ununterbrochen in Deutschland aufhalten
Normenkette
AuslG §§ 51, 53-54; EStG § 62 Abs. 1-2, § 63; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist nur noch der Anspruch des Klägers auf Kindergeld für seinen am 22.08.1994 geborenen Sohn M. A. für die Monate Juli 1996 bis Oktober 2002.
Der Kläger ist gebürtiger Rumäne. Im Juli 1996 reiste er mit seiner Frau und dem Kind M. A. mit Registrierschein als Abkömmling eines Spätaussiedlers i.S.d. § 7 Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz -BVFG- von Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde im Verteilverfahren dem Freistaat Bayern zugewiesen. Bereits zuvor war der Kläger vom 01.10.1993 bis 31.12.1994 in der Bundesrepublik und studierte als Stipendiat des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes an der Universität B..
Die Beklagte bewilligte zunächst Kindergeld für den Sohn des Klägers für den Zeitraum ab Juli 1996 i.H.v. 200 DM monatlich. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Kindergeldzahlung im Hinblick auf Beginn und Höhe vorläufig gem. § 165 AO ist, da der Anspruch auf Kindergeld von der Anerkennung als Aussiedler/Vertriebener abhängt.
Mit Bescheid des Zentralen Ausgleichsamtes Bayern vom 26.05.1998 wurde der Antrag auf Anerkennung eines Abkömmlings eines Spätaussiedlers nach § 15 Abs. 2 BVFG abgelehnt. Eine im Juli 1998 beantragte Aufenthaltsbefugnis wurde am 23.09.1998 vom Landratsamt R. -Ausländerbehörde- erteilt und am 01.08.2000 bzw. erneut am 24.07.2002 für zwei Jahre verlängert. Für die Zeit der Bearbeitung der Aufenthaltsgenehmigung war der Aufenthalt in der Bundesrepublik erlaubt (vgl. Bescheinigung vom 08.07.1998). Am 02.04.2003 erhielt der Kläger eine Einbürgerungszusicherung. Seit Juni 2004 sind der Kläger, seine Ehefrau und das Kind M. A. deutsche Staatsbürger. Daraufhin erfolgte für den Zeitraum ab Juli 2004 die Festsetzung von Kindergeld für den Sohn des Klägers.
Nachdem der Kläger im Oktober 2000 der Familienkasse mitteilte, dass er nicht als Spätaussiedler anerkannt worden ist und er und seine Familie im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sind, hob die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2001 die Kindergeldfestsetzung auf und forderte das Kindergeld für den Zeitraum Juli 1996 bis Oktober 2000 i.H.v. 12.180 DM zurück. Sie teilte dazu mit, dass der Kläger mangels Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis keinen Anspruch auf Kindergeld habe.
Das Einspruchsverfahren wegen des Aufhebungsbescheides vom 21.02.2001 blieb ohne Erfolg.
Der Kläger hat Klage erhoben und zuletzt beantragt, den Bescheid der Familienkasse vom 21.02.2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2001 aufzuheben.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor:
Die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass er nicht zum berechtigten Personenkreis i.S.d. § 62 EStG gehöre. Er befinde sich seit Juli 1996 aufgrund eines Aufnahmebescheides des Bundesverwaltungsamtes in der Bundesrepublik. Er sei als Spätaussiedler registriert worden und die Aufnahme sei gemäß § 7 Abs. 2 BVFG als Abkömmling seiner Mutter erfolgt. Wegen der Änderung der Rechtsprechung durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.03.1998 Az.: 9 C 51.96, wonach als Tatbestandsmerkmal der Benachteiligung i.S. des Bundesvertriebenengesetzes -BVFG- die sog. persönliche Vereinsamung nicht mehr ausreiche, seien das Verfahren der Mutter und auch sein Verfahren rechtskräftig abgelehnt worden. Aufgrund des Härtefallerlasses des Bundes und der Länder für abgelehnte Spätaussiedlerbewerber sei ihm und seiner Familie vom Landratsamt R. eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden. Außerdem ergebe sich aus den im Laufe des Klageverfahrens ergangenen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25.10.2005 Az. 59140/00 sowie des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 06.07.2004 Az. 1 BvL 4/97, dass die Zahlung von Kindergeld nur an Ausländer mit dauernder Aufenthaltsberechtigung diskriminierend und deshalb nicht rechtmäßig sei.
Die Kindergeldkasse beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie unter Bezug auf die Einspruchsentscheidung im Wesentlichen Folgendes vor:
Solange § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht für verfassungswidrig erklärt oder vom Gesetzgeber geändert werde, sei die Vorschrift mit ihrem eindeutigen Gesetzeswortlaut maßgebend. Sie sei an die eindeutig formulierte gesetzliche Regelung des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG gebunden, wonach ein Ausländer nur dann Anspruch auf Kindergeld habe, wenn er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sei. Dem Kläger sei jedoch nur eine Aufentha...