Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Kindergeld für Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis
Leitsatz (redaktionell)
§ 62 Abs. 2 Satz 1 EStG ist in der für 1996 und 1997 geltenden Fassung verfassungs- und gemeinschaftsrechtkonorm dahingehend einschränkend auszulegen, dass nur bei Fehlen der in § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG in der bis zum 31. 12. 1993 gültigen Fassung genannten Voraussetzungen Ausländern Kindergeld versagt werden kann.
Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht, da dieses bereits eine Entscheidung zu einer vergleichbaren Rechtsvorschrift getroffen hat und deshalb das unterinstanzliche Gericht diese Entscheidung in eigener Zuständigkeit auf die andere Rechtsnorm übertragen kann.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1; BKGG § 1 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1; EMRK Art. 8, 14
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Kindergeld für seine am 24. Juli 1995 geborene Tochter A für die Monate Januar 1996 bis März 1997.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger, 1987 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach erfolglosem Asylverfahren wurde ihm wiederholt eine Duldung erteilt. Im November 1989 und im Oktober 1990 erhielt er jeweils eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach dem Ausländergesetz a. F., am 20. Januar 1995 erteilte ihm das Landratsamt Z eine bis zum 23. Januar 1997 gültige Aufenthaltsbefugnis. Laut Bescheinigung des Landratsamtes Z vom 23.01.1997 ist dort die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung beantragt worden und es galt deshalb der Aufenthalt im Bundesgebiet als erlaubt. Die Bescheinigung war bis 07.04.1997 gültig. Am 07.04.1997 trug die zuständige Ausländerbehörde eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in den Pass des Klägers ein. In den Monaten Januar 1996 bis März 1997 wohnte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und der Tochter in Y.
Den Antrag des Klägers vom 28.07.1995 auf Gewährung von Kindergeld für seine Tochter A lehnte die Kindergeldkasse des Arbeitsamtes X mit Bescheid vom 18.08.1995 ab mit der Begründung, der Kläger besitze weder eine gültige Aufenthaltsberechtigung noch eine Aufenthaltserlaubnis. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 12.10.1995 als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14.11.1995 dagegen Klage zum Sozialgericht W erhoben.
Mit Schreiben vom 10.02.1997 teilte der Kläger der Kindergeldkasse des Arbeitsamtes X mit, dass er am 11.11.1996 einen Antrag auf unbefristete Aufenthaltserlaubnis gestellt habe und nach § 69 Abs. 3 Ausländergesetz - AuslG - der Aufenthalt seit Stellung des Antrages als erlaubt gelte. Er hoffe, der Antrag auf Kindergeld sei damit begründet. Die Familienkasse des Arbeitsamtes X wertete dies als neuen Antrag auf Kindergeld, den es mit Schreiben vom 12.03.1997 wiederum ablehnte, mit der Begründung, der Kläger besitze keine gültige Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis. Dem Schreiben ist eine Rechtsbehelfsbelehrung (Einspruch) beigefügt worden. Mit Schreiben vom 08.04.1997 zeigte der Kläger der Beklagten die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis an. Da die Ablehnung seines Kindergeldantrages vom 28.07.1995 aufgrund der erhobenen Klage noch nicht bindend geworden sei und die Anspruchsvoraussetzungen nunmehr nachgewiesen seien, solle sein Schreiben vom 10.02.1997 nicht als neuer Antrag angesehen werden, sondern der erlassene Bescheid vom 18.08.1995 durch einen neuen abgeändert oder ersetzt werden. Außerdem wies der Kläger auf die Regelung des § 96 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - hin. Seine Einwendungen gegen die ausländerfeindlichen und verfassungswidrigen Regelungen des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG - seien auch für § 62 EStG gültig.
Mit Urteil vom 21.04.1997 Az. S 8 Kg 49/95 hat das Sozialgericht W die Klage wegen Kindergeld für die Zeit von Juli 1995 bis März 1997 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hin wurde das Urteil durch das Bayer. Landessozialgericht aufgehoben, soweit es einen Kindergeldanspruch des Klägers ab 1. Januar 1996 betraf. Der Rechtsstreit wurde insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht W zurückverwiesen. Mit Beschluss vom 03.07.200 1 Az. S erklärte dieses den Rechtsweg für Streitigkeiten über den Anspruch auf Kindergeld ab 01 .01.1996 zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig und verwies den Rechts-streit an das Finanzgericht Nürnberg. Die vom Kläger dagegen erhobene Beschwerde hat das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 28.01.2002 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde nicht zugelassen.
Vor dem Finanzgericht Nürnberg beantragt der Kläger zuletzt sinngemäß, die Ablehnungsbescheide vom 18.08.1995 und 12.03.1997 sowie den Widerspruchsbescheid vom 12.10.1995 aufzuheben, soweit sie den Kindergeldanspruch für A von Januar 1996 bis März 1997 betreffen, und die Beklagte zu verpflichten, ihm für den genannten Zeitraum Kindergeld nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe für die Tochter A zu gewähren.
Zur Be...