Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb durch Wegfall der Ausgleichspflicht des überlebenden Gesamtgläubigers einer in unveränderter Höhe fortzuzahlenden Leibrente
Leitsatz (amtlich)
Ist eine kaufvertraglich vereinbarte Leibrente beim Tod eines Gesamtgläubigers in unveränderter Höhe bis zum Ableben des anderen Gesamtgläubigers zu zahlen, liegt im Wegfall der Ausgleichspflicht des überlebenden Gesamtgläubigers nach § 430 BGB beim Tod des erstversterbenden weder ein Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG noch wegen des regelmäßig ersatzlosen Untergangs des Rentenanspruchs des Erstversterbenden eine Schenkung auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG.
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, Nr. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob der mit dem Tod eines der Gesamtgläubiger einer auf Lebenszeit des Längstlebenden unverändert zu zahlenden Leibrente eintretende Wegfall der Ausgleichspflicht nach § 430 BGB beim überlebenden Gesamtgläubiger nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu einem Erwerb von Todes wegen aufgrund eines vom verstorbenen Gesamtgläubiger abgeschlossenen Vertrags mit dem Rentenverpflichteten führt oder eine Schenkung auf den Todesfall darstellt.
Aufgrund privatschriftlichen Testaments vom 29.07.1966 wurde die Klägerin Alleinerbin nach ihrer am 11.05.2000 verstorbenen Schwester (Erblasserin).
Die Klägerin und die Erblasserin waren an zwei Grundstücken in A. Miteigentümerinnen zu je 1/4 sowie in verschiedenen Erbengemeinschaften zu 2/4. Mit notarieller Urkunde vom 04.05.1992 verkauften sie den Grundbesitz an ihre Nichte. Diese verpflichtete sich als Gegenleistung u.a. dazu, an die Verkäuferinnen, die Klägerin und die Erblasserin, als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB auf Lebensdauer der Längstlebenden der Verkäuferinnen eine wertgesicherte Rente in Höhe von monatlich 2.000 DM zu bezahlen. Weiter wurde in der Urkunde vereinbart, dass sich beim Ableben einer Berechtigten die Rente nicht verringert.
Das Finanzamt sah in einem mit dem Tod der Erblasserin eingetretenen Wegfall der Ausgleichspflicht der Klägerin bei der Leibrente einen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb und setzte mit Bescheid vom 23.02.2001 die Erbschaftsteuer gegenüber der Klägerin auf 39.899 DM fest. Es ermittelte dabei den Wert des steuerpflichtigen Erwerbs mit 234.704 DM und den Kapitalwert einer entfallenden Ausgleichspflicht aus dem halben Jahreswert der Leibrente von 12.000 DM mit 79.104 DM.
Ein Vertreter der Klägerin erhob dagegen Einspruch und wandte sich gegen den Ansatz eines Kapitalwerts wegen Wegfalls einer Ausgleichspflicht bei der Rente. Er brachte dazu vor, dass die Klägerin und die Erblasserin hinsichtlich des Leibrentenanspruchs Gesamtgläubigerinnen gemäß § 428 BGB seien und damit jede die ganze Leistung habe fordern können. Mit Entscheidung vom 09.04.2001 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Prozessbevollmächtigten haben für die Klägerin Klage erhoben. Sie begehren, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 09.04.2001 den Bescheid vom 23.02.2001 dahin zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 26.452 DM herabgesetzt wird. Für den Fall des Unterliegens beantragen sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Zur Begründung bringen sie im Wesentlichen vor:
Es seien weder die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG noch die einer Schenkung auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erfüllt. Die Rechtsposition der Klägerin als Gesamtgläubigerin der Leibrentenforderung habe sich mit dem Eintritt des Erbfalles nicht verändert. Bereits mit Abschluss des notariellen Vertrags vom 04.05.1992 sei sie berechtigt gewesen, gegenüber ihrer Nichte die gesamte Rente zu fordern. Einen zusätzlichen, über diesen Anspruch hinausgehenden Vermögensvorteil habe die Klägerin beim Tod der Erblasserin nicht erworben. Der Anspruch der Erblasserin als Gesamtgläubigerin sei mit ihrem Tod ersatzlos untergegangen; sie habe damit ihre Stellung als Gesamtgläubigerin der Rente verloren und daher keine Rechtsposition mehr gehabt, welche sie auf die Klägerin hätte übertragen können. Entgegen der Auffassung des Finanzamts ergäben sich die Voraussetzungen für eine freigebige Zuwendung auch nicht daraus, dass eine Leibrente auch auf Lebenszeit eines Dritten vereinbart werden könne und dementsprechend in der Urkunde vom 04.05.1992 eine von der Vorschrift des § 759 Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung getroffen worden wäre. Zum einen sei nicht der Fall gegeben, dass die Leibrente auf Lebenszeit eines Dritten vereinbart worden sei. Die Klägerin könne in diesem Sinn auch nicht als Dritte angesehen werden. Selbst wenn das Grundrecht der Leibrente auf die Lebensdauer eines anderen als des Berechtigten bestellt worden sei, ende es gemäß § 759 Abs. 1 BGB im Zweifel doch mit dem früheren Tod des Berechtigten (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 759 Rz. 9). Zum anderen sei das Rentenrecht der Erblasserin gemäß § 759 Abs. 1 BGB mit ihrem Tode ersatzlos unte...