Entscheidungsstichwort (Thema)

Die Unterbringung von Obdachlosen im Bedarfsfall ist als kurzfristige Beherbergung von Fremden umsatzsteuerpflichtig

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob bei der Unterbringung von Obdachlosen eine langfristige (gem. § 4 Nr. 12a UStG steuerfreie) oder eine kurzfristige (gem. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtige) Vermietung zur Beherbergung vorliegt, ist je nach den für den einzelnen Streitfall maßgeblichen Gegebenheiten zu entscheiden.

 

Normenkette

UStG § 4 Nrn. 12a, 12 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin für die Unterbringung von Obdachlosen in ihrem Pensionsbetrieb steuerfreie Vermietungsumsätze gem. § 4 Nr. 12a UStG gegenüber der Stadt A erbringt.

Die Klägerin betrieb in A in der X-Strasse eine Pension und schloss am 07.03.1995 mit dem Sozialamt der Stadt A einen Beherbergungsvertrag zur Unterbringung von Obdachlosen im Bedarfsfalle. Als Vergütung wurde ein Monatssatz für Unterbringung auf unbestimmte Dauer von 520 DM inkl. Mehrwertsteuer pro Person vereinbart. Für Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr war eine Erstattung von 50 % des Monatssatzes, für zusätzlich aufgestellte Betten eine solche von maximal 60 % des Monatssatzes vorgesehen. Die Unterbringung an einzelnen Tagen sollte pro Tag mit 1/30 des Monatssatzes vergütet werden. Weiter war unter Nr. 5 folgendes vereinbart: ,,Bei Einzug erhält jeder Bewohner Bettwäsche. Die Betreiberin verpflichtet sich bei längerfristiger Belegungsdauer alle zwei Wochen, bei Belegungsdauer unter einer Woche jeweils vor Neubelegung die Bettwäsche zu wechseln. Die laufende Reinigung der Gemeinschaftsräume erfolgt durch das Personal der Betreiberin.“

Der Vertrag konnte jeweils von beiden Seiten sechs Wochen zum Quartalsende gekündigt werden. Zudem war unter Nr. 14 folgendes geregelt: „Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass durch diesen Vertrag für die Betreiberin ein Anspruch auf Zuweisung von Obdachlosen in ihrem Beherbergungsbetrieb nicht eingeräumt wird, die Zuweisung vielmehr nur im Bedarfsfall erfolgt. Eine Beendigung der Unterbringung ist von Seiten der Stadt A für jeden Aufgenommenen jederzeit möglich. Die Stadt A kann keine Zusage über die Inanspruchnahme des Beherbergungsbetriebes geben.“

Im Einzelnen wird auf den Beherbergungsvertrag, der ab 01.04.1995 galt, verwiesen.

Die Klägerin sah die Leistungen der Obdachlosenunterbringung in den Jahren 1995 bis 1997 als steuerpflichtig an und erklärte gegenüber dem Finanzamt insoweit Umsätze mit 15 % Umsatzsteuer. Mit Schreiben vom 18.10.1999 beantragte sie erfolg-, los, diese Umsätze als steuerfrei zu behandeln.

Auch in den Streitjahren hatte sie zunächst in den Umsatzsteuervoranmeldungen steuerpflichtige Umsätze erklärt. In der Umsatzsteuerjahreserklärung für 1998, die sie am 11.11.1999 beim Finanzamt einreichte, gab sie als Bemessungsgrundlagen jedoch steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von 157.481 DM und 0 DM Vorsteuerabzugsbeträge an und errechnete aufgrund der geleisteten Vorauszahlungen einen Rückzahlungsanspruch von 14.356,71 DM.

In ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung für 1999 vom 19.01.2001 gab sie steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von 154.636 DM, 0 DM abziehbare Vorsteuerbeträge und einen errechneten Rückzahlungsanspruch von 9.213,61 DM an.

Das Finanzamt stimmte den Jahreserklärungen nicht zu, sondern ordnete zur Frage der Steuerfreiheit der Leistungen eine Umsatzsteuerprüfung an. Die Prüferin stellte dabei fest, dass die Vermietungsumsätze steuerpflichtig im Sinne von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG seien, weil die Pension der Klägerin darauf ausgerichtet sei, die vom Sozialamt zugewiesenen Obdachlosen zu beherbergen. Dabei sei ein häufiger Wechsel der Mieter mit unterschiedlichen Nutzungszeiten üblich. Es würden daher wahlweise lang- oder kurzfristige Vermietungen angeboten, wodurch die Steuerfreiheit ausgeschlossen sei. Im Einzelnen wird auf den Bericht über die Umsatzsteuerprüfung vom 25.07.2000 verwiesen.

Das Finanzamt folgte dieser Rechtsauffassung und setzte mit Bescheid vom 22.09.2000 die Umsatzsteuer für 1998 in Höhe von 14.355 DM fest. Es ging dabei von folgenden Besteuerungsgrundlagen aus: Leistungen zu 15 % in Höhe von 51.097 DM, Leistungen zu 16 % in Höhe von 90.712 DM und abziehbare Vorsteuerbeträge wie vorangemeldet in Höhe von 7.823,37 DM. Die Steuerfestsetzung erfolgte endgültig.

Für das Streitjahr 1999 setzte es die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 23.04.2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) in Höhe von 14.828 DM fest. Es ging dabei von folgenden Besteuerungsgrundlagen aus: Leistungen zu 16 in Höhe von 133.306 DM und von zum Teil geschätzten Vorsteuerabzugsbeträgen von 6.500 DM.

Die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide wies das Finanzamt in der Entscheidung vom 04.12.2001 als unbegründet zurück und hielt den Vorbehalt der Nachprüfung für die Umsatzsteuerfestsetzung 1999 weiterhin aufrecht.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, den Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 22.09.2000 und den Umsatzsteuerbescheid 199...

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