Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtanerkennung eines im Wesentlichen an Wochenenden betriebenen Kutschbetriebes als Gewerbebetrieb wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht
Leitsatz (redaktionell)
1. a) An der Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal des gewerblichen Unternehmens fehlt es, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausführt. In die Totalgewinnprognose sind die Gewinne und Verluste eines Unternehmens von der Gründung bis zur Betriebsveräußerung oder -aufgabe einzubeziehen
b) Andauernde Verluste sind in der Regel ein Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Liebhaberei, weil die Betriebsfortführung trotz eines solchen geschlossenen Verlustzeitraums für die Annahme spricht, dass der Betrieb bei gleichbleibender Form der Betriebsführung nicht darauf angelegt ist, Gewinne zu erzielen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige wegen anderer hoher Einkünfte oder aufgrund seines Vermögens finanziell in der Lage ist, die jährlich anfallenden Verluste zu tragen.
2. a) Bei neugegründeten Gewerbebetrieben spricht allerdings der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich für eine Gewinnerzielungsabsicht.
b) Verluste der Anlaufzeit können aber dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird, insbesondere kein schlüssiges Betriebskonzept vorliegt und aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass er so, wie er vom Steuerpflichtigen betrieben wurde, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Betrachtung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts darstellte. (wird im einzelnen ausgeführt).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob Einkünfte aus einem Kutschbetrieb der Klägerin in den Jahren 2004 bis 2014 sowie Aufwendungen des Klägers im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus selbständiger Arbeit in den Jahren 2013 und 2014 zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Ehegatten und erzielen jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Kläger ist Architekt und war im Streitzeitraum beim Hochbauamt 1 bzw. der Landesbaudirektion 2 beschäftigt. Nebenberuflich übt er u.a. eine Vortrags- bzw. schriftstellerische Tätigkeit im Baubereich aus; er ermittelt den Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.
Die Klägerin ist Tierärztin und war im Streitzeitraum bei den Veterinärämtern 3 und 4 beschäftigt. Sie ist unter anderem zuständig für die Zulassung und Überprüfung von Kutschbetrieben. Dazu gehört auch die Abnahme einer praktischen Fahrprüfung. Im Rahmen ihres Tiermedizinstudiums hat sie die Fertigkeit zum Führen und Ausbilden eines Fahrpferdes erworben und in speziellen Fahrausbildungen vertieft.
Im Jahr 2004 erwarben die Kläger jeweils den Kutscherführerschein; die Klägerin meldete den Gewerbebetrieb „Kutschfahrten" an und schaffte neben verschiedenem Zubehör einen Iberosattel mit Zubehör für 950 €, eine trächtige Friesenstute (geb. 17.05.2001) für 5.300 € und eine Kutsche mit 8 Sitzplätzen für 4.200 € an.
Die Stute wurde von der Klägerin zum Kutschpferd fertig ausgebildet. Im Jahr 2005 begann die Klägerin mit der Durchführung von Kutschfahrten gegen Entgelt. Diese fanden ganz überwiegend am Wochenende bzw. an Feiertagen statt zu einem Preis von 45 € (ab 2010 50 €) je 45 Minuten. Die Bezahlung erfolgte in bar.
Im Jahr 2008 kaufte die Klägerin einen weiteren Iberosattel zu einem Kaufpreis von 1.300 € und veräußerte den in 2004 angeschafften Sattel (Restbuchwert 453 €).
Im Jahr 2009 schaffte die Klägerin eine Kutsche Bennington Buck Board für 2.600 € sowie einen Pferdeanhänger (Kombianhänger Pferd und Kutsche) für 5.879 € an. Im Jahr 2012 verkaufte sie die zunächst erworbene Kutsche und den Anhänger zu einem Gesamtpreis von 5.300 € (Restbuchwert: 4.444 €).
Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG stellt sich in den Streitjahren wie folgt dar:
|
Kutschfahrten (soweit bekannt) |
Fahrtage (soweit bekannt) |
Betriebseinnahmen |
Betriebsausgaben |
Gewinn |
2004 |
- |
- |
0 € |
4.056 € |
- 4.056 € |
2005 |
4 |
4 |
180€ |
6.876 € |
- 6.696 € |
2006 |
11 |
11 |
440 € |
7.453 € |
- 7.013 € |
2007 |
30 |
23 |
1.350 € |
6.818 € |
- 5.468 € |
2008 |
|
|
4.135 € |
6.869 € |
- 2.734 € |
2009 |
73 |
47 |
3.285 € |
8.991 € |
- 5.707 € |
2010 |
189 |
73 |
9.450 € |
9.052 € |
398 € |
2011 |
|
|
7.200 € |
8.930 € |
- 1.730 € |
2012 |
|
|
3.550 € |
8.647 € |
|
|
|
|
5.300 € |
4.444 € |
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|
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(Veräußerung 1. Kutsche + Anhänger) |
(Abgang Anlagevermögen Restbuchwert) |
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8.850 € |
13.091 € |
- 4.241 € |
2013 |
- |
- |
0 € |
6.500 € |
- 6.500 € |
2014 |
- |
- |
0 € |
2.213 € |
|
|
|
|
1.400 € |
1.040 € |
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|
|
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(Veräußerung Anlagevermögen) |
(Abgang Anlagevermögen Restbuchwert) |
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1.400 € |
3.253 € |
- 1.853 € |
Gesamtergebnis |
- 45.600 € |
Das damals zuständige Finanzamt 3 führte die Einkommensteuerveranlagungen 2004 bis 2012 zunächst erklärungsgemäß durch. Die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2012 ergingen vorläufig hinsichtlich der Einkünfte de...