Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung nach § 129 AO bei rechtmäßigem Verwaltungsakt - mechanischer Fehler oder bewusstes Abweichen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Berichtigung gemäß § 129 AO kommt nicht in Betracht, wenn der Bearbeiter aufgrund eines mechanischen Fehlers einen rechtmäßigen Bescheid erlassen hat.
2. Eine Berichtigung nach § 129 AO ist ausgeschlossen wenn Anhaltspunkte vorliegen, die eine bewusste Entscheidung des Bearbeiters möglich erscheinen lassen. Dies ist anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Einzelfallumstände zu beurteilen, d.h. insbesondere unter Einbeziehung des Inhalts der Steuerakten.
Normenkette
AO § 129
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Finanzamt bei der Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 Abgabenordnung (AO) unterlief.
Die Klägerin, eine GmbH, ist im Holzbau tätig. Ihr Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr.
1999 erwirtschaftete sie einen Verlust in Höhe von 421.977 € (825.317 DM). Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag belief sich zum 31.12.1999 auf 377.024 € (737.935 DM).
Mit notariell beurkundetem Gesellschaftsbeschluss vom 28.07.2000, welchen das Finanzamt am 08.09.2000 in Kopie erhielt, beschlossen die Gesellschafter der Klägerin deren Stammkapital um 430.000 € zu erhöhen. Im Beschluss, der keine Sacheinlageverpflichtung enthielt, gaben sie an, dass dieses Stammkapital bereits voll einbezahlt sei. Tatsächlich zahlten die Gesellschafter das erhöhte Stammkapital nicht ein. Am 06.09.2000 erhöhte die Klägerin in ihrer Buchführung das Stammkapital um 430.000 € und minderte Darlehensverbindlichkeiten, die bereits am 28.07.2000 bestanden und für welche Rangrücktritte vereinbart waren. Im Einzelnen nahm sie folgende Buchungen vor:
# 750 Darlehen A X KG an # 800 Gezeichnetes Kapital 339.943,50 € (684.871,70 DM) (Buchungstext: Erhöhung Stammeinlage Gesellschafter A X aus Darlehen)
# 771 Darlehen B X an # 800 Gezeichnetes Kapital 90.000,00 € (176.024,70 DM) (Buchungstext: Erhöhung Stammeinlage Gesellschafter B X aus Darlehen)
# 810 Ausstehende Einlagen an # 800 Gezeichnetes Kapital 56,50 € (110,50 DM) (Buchungstext: Erhöhung Stammeinlage Gesellschafter A X eingefordert)
Im Jahr 2000 erwirtschaftete die Klägerin einen Verlust in Höhe von 645.271 € (1.262.042 DM). Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag belief sich zum 31.12.2000 auf 591.425 € (1.156.727 DM). Den Bestand des EK 04 stellte das Finanzamt zum 31.12.2000 mit 0 € bestandskräftig fest.
Mit notariell beurkundetem Gesellschaftsbeschluss vom 15.03.2001, welchen das Finanzamt am 21.03.2001 in Kopie erhielt, beschlossen die Gesellschafter der Klägerin die Kapitalerhöhung durch eine vereinfachte Kapitalherabsetzung gemäß § 58a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) rückgängig zu machen. Das herabgesetzte Kapital stellte die Klägerin in voller Höhe in die Kapitalrücklage ein. Zudem erwarb der Gesellschafter B X am 15.03.2001 von den übrigen Gesellschaftern deren Geschäftsanteile an der Klägerin für jeweils 1 €.
Für 2001 reichte die Klägerin am 19.06.2002 Steuererklärungen ein. In der Feststellungserklärung zum steuerlichen Einlagekonto erklärte sie einen Anfangsbestand in Höhe von 0 €, unter der Rubrik "Herabsetzung des Nennkapitals (außerhalb einer Umwandlung) oder Auflösung der Körperschaft; Rückzahlung des Nennkapitals (§ 28 Abs. 2 KStG)" eine Gutschrift in Höhe von 430.000 € (841.006 DM) und einen Bestand zum 31.12.2001 in Höhe von 430.000 €. Der Bearbeiter vermerkte auf der Feststellungserklärung neben der erklärten Gutschrift handschriftlich "neu in 2001". Den zum 31.12.2001 erklärten Bestand hakte er nicht ab. Mit Bescheid vom 03.09.2002 stellte er ohne vorherige Rückfrage bei der Klägerin den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit 0 € fest. Im Bescheid erläuterte er die Abweichung von der Erklärung nicht. Am 17.11.2003 hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Dagegen legte die Klägerin keinen Einspruch ein.
Im Jahr 2014 beantragte die Klägerin beim Finanzamt den zum 31.12.2001 mit 0 € festgestellten Bestand des steuerlichen Einlagekontos auf 430.000 € zu erhöhen und die für 2002 bis 2012 festgestellten Bestände an diese Änderung anzupassen.
Gegen die abgelehnte Änderung für 2001 bis 2012 und gegen die für 2013 bis 2016 festgestellten Bestände des steuerlichen Einlagekontos legte die Klägerin Einspruch ein, den das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 19.01.2018 als unbegründet zurückwies. Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage zu deren Begründung die Klägerin im Wesentlichen geltend macht:
Das Finanzamt sei gemäß § 129 AO verpflichtet den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2001 mit 430.000 € festzustellen, weil der in Höhe von 0 € festgestellte Bestand eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO darstelle.
Die Klägerin habe gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) zu Rech...