Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Vermittlung von herrenlosen Tieren aus dem Ausland durch einen gemeinnützigen Tierschutzverein
Leitsatz (redaktionell)
Die "Schutzgebühr", die ein gemeinnütziger Tierschutzverein für die Vermittlung von Tieren aus dem Ausland verlangt, unterliegt dem ermäßigten Umsatzsteuersatz, wenn die Tiervermittlung ausdrücklich ein satzungsmäßiger Zweck ist, das für die Tiervermittlung erhobenen Entgelt sich am Prinzip der Kostendeckung orientiert und der Tierschutzverein nicht in größerem Umfang in Wettbewerb zu nicht begünstigen Betrieben tritt, als es zur Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks unvermeidbar ist (entgegen FG Baden-Württemberg 14 V 4072/10 vom 18.04.2011).
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Sätze 1, 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Vermittlung herrenloser Tiere aus dem Ausland nach Deutschland der Umsatzsteuer unterliegt und welcher Steuersatz gegebenenfalls anzuwenden ist.
Der Kläger ist ein 2010 gegründeter, als gemeinnützig anerkannter Tierschutzverein. Der Vereinszweck ist in der Satzung wie folgt bestimmt:
"§ 2 - Zweck des Vereins.
Der Verein verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zweck im Sinne des Abschnittes ‚steuerbegünstigte Zwecke' der Abgabenordnung.
Zwecke des Vereins sind insbesondere:
- Vertretung und Förderung des Tierschutzgedankens in Europa,
- Tiere in Europa vor Leid, Quälerei, Misshandlungen und Missbrauch zu schützen,
- in Not geratene Tiere in gute Hände zu vermitteln,
- Hilfestellung bei der Vermittlung von ausländischen Tieren ins Inland,
- Aufklärung über Tierschutzprobleme,
- die Einrichtung von Pflegestellen für aufgenommene Tiere,
- Spendenaktionen und Sammlungen durchzuführen, deren Erträge nur für Zwecke des Tierschutzes verwendet werden,
- Unterstützung von projektbezogenen Kastrationen.
Der Zweck wird durch einen festen ehrenamtlichen Mitarbeiterstamm und ehrenamtlicher Helfer verwirklicht."
In den Streitjahren vermittelte der Kläger Tiere aus dem EU-Ausland nach Deutschland. Die inländischen Interessenten zahlten dafür je nach Tierart, Rasse, Alter und Gesundheitszustand eine Schutzgebühr von regelmäßig rund 300 €, die in Einzelfällen ermäßigt wurde. Die Schutzgebühren beliefen sich 2010 auf insgesamt 20.985 €, 2011 auf insgesamt 39.701 €, 2012 auf 45.600 €. Der Kläger behandelte diese Schutzgebühren als steuerfrei und gab keine Umsatzsteuererklärungen ab. In den Folgejahren betrugen die Schutzgebühren 2013 insgesamt 56.909,02 €, 2014 insgesamt 40.924,29 €, 2015 insgesamt 38.669,80 € und 2016 insgesamt 16.300,38 €. Dem standen mit der Vermittlung zusammenhängende Ausgaben von 68.692,60 € 2013, 39.687,10 € 2014 und 48.682,68 € 2015 gegenüber. Der Kläger behandelte die Schutzgebühren für diese Jahre als Umsätze aus Zweckbetrieb, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, und erklärte für die Vermittlungen Nettoumsätze von 53.186 € für 2013, 38.247 € für 2014, 36.140 € für 2015 und 15.234 € für 2016. Unter Berücksichtigung der angefallenen Vorsteuer ermittelte er Umsatzsteuer 2013 von ./.392,92€, Umsatzsteuer 2014 von 311,94 €, Umsatzsteuer 2015 von ./.2.113,49 € und Umsatzsteuer 2016 von ./.373,16 €. Der Beklagte (das Finanzamt) zahlte die ermittelten Vorsteuerüberschüsse zunächst aus.
Aufgrund einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Vermittlung ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sei, der dem allgemeinen Steuersatz unterliege, und erließ entsprechende Steuerbescheide. Unter Berücksichtigung der angefallenen Vorsteuer von 772,78 € für 2010, 3.699,82 € für 2011, 3.815,12 € für 2012, 4.115,94 € für 2013, 2.365,35 € für 2014, 4.643,22 € für 2015 und 1.439,54 € für 2016 setzte es Umsatzsteuer 2010 in Höhe von 2.577,68 €, Umsatzsteuer 2011 in Höhe von 2.638,96 €, Umsatzsteuer 2012 in Höhe von 3.596,32 €, Umsatzsteuer 2013 in Höhe von 5.989,40 €, Umsatzsteuer 2014 in Höhe von 4.901,58 €, Umsatzsteuer 2015 in Höhe von 1.653,76 € und Umsatzsteuer 2016 in Höhe von 1.163,08 € fest. Dabei setzte es für 2015 auch die vom Kläger nacherklärten Einnahmen aus einer Tombola von insgesamt 770 € brutto an, deren Behandlung zwischenzeitlich nicht mehr streitig ist. Den dagegen eingelegten Einspruch des Klägers wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 09.01.2019 als unbegründet zurück. Zu Begründung führte es an, die Vermittlung von Tieren sei wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, aber kein Zweckbetrieb. Die Vermittlung als solche sei nur einer von mehreren satzungsmäßigen Zwecken, eine entgeltliche Vermittlung in der Satzung nicht ausdrücklich vorgesehen. Zudem trete der Kläger in Konkurrenz zu ähnlichen Vereinen und zu gewerblichen Hundezüchtern.
Der Kläger erhob daraufhin Klage. Er macht geltend, seine Umsätze seien dem ideellen Bereich zuzuordnen und daher steuerfrei, hilfsweise unterlägen sie als Zweckbetrieb dem ermäßigten Steuersatz.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom 04.05.2015, den Umsatz...