Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Herabsetzung von nachträglich festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen unter Angabe unzutreffender voraussichtlicher Einkünfte als Steuerverkürzung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Antrag auf Herabsetzung nachträglich festgesetzter Einkommensteuervorauszahlungen erfüllt den Tatbestand der Steuerhinterziehung, wenn der Steuerpflichtige aufgrund der Angabe unzutreffender Einkünfte die Herabsetzung der Vorauszahlungen erreicht.
Normenkette
AO § 370 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 4, § 235 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen.
Der Kläger ist Kunsthandwerker; er erzielt aus der Herstellung und dem Verkauf von Mobiliar Einkünfte aus Gewerbebetrieb, zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin hat als kaufmännische Angestellte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus Kapitalvermögen.
Mit Einkommensteuerbescheid 1994 vom 5. 8. 1996 setzte das Finanzamt für das Streitjahr 1995 eine nachträgliche Einkommensteuervorauszahlung von 103.000 DM fest.
Hiergegen wandte sich der steuerliche Vertreter der Kläger - der Prozeßbevollmächtigte - in deren Namen mit Einspruch vom 9. 9. 1996. Er beantragte die nachträglichen Vorauszahlungen auf 79.645 DM Einkommensteuer sowie 6.187,70 DM Solidaritätszuschlag festzusetzen. Zur Begründung führte er an, aufgrund der vorläufigen Ergebnisse der Buchführung 1995 sei mit einer erheblichen Minderung des Ertrags zu rechnen. Konjunkturelle Einbrüche und die verschärfte Wettbewerbssituation hätten den wesentlichen Anteil an der Entwicklung des Unternehmens. Nach den vorliegenden Erkenntnissen werde sich demnach folgende Steuerberechnung ergeben:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb |
376.858 DM |
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit |
2.440 DM |
Einkünfte aus Kapitalvermögen |
8.502 DM |
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ./. |
6.591 DM |
Sonstige Einkünfte |
4.964 DM |
______________________________________ |
__________________ |
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386.173 DM |
Altersentlastungsbeträge |
5.496 DM |
Sonderausgaben |
48.832 DM |
______________________________________ |
__________________ |
zu versteuerndes Einkommen |
331.845 DM |
Daraufhin setzte das Finanzamt mit Vorauszahlungsbescheid vom 30. 9. 1996 die nachträgliche Vorauszahlung 1995 um 23.355 DM herab.
Am 29. 4. 1997 reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung 1995 ein. Hierbei ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von 733.713 DM. Das Finanzamt veranlagte die Kläger zunächst durch Bescheid vom 13. 6. 1997 erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer mit 314.474 DM fest, woraus sich eine Nachzahlung von 137.215 DM ergab.
Die Differenzen zum Herabsetzungsantrag vom 9. 9. 1996 stellen sich im wesentlichen wie folgt dar:
|
erklärte Einkünfte |
Differenz |
Gewerbebetrieb |
727.930 DM |
351.072 DM |
Kapitalvermögen |
28.965 DM |
20.463 DM |
Vermietung und Verpachtung |
517 DM |
7.108 DM |
Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb beruht der Unterschiedsbetrag zum Herabsetzungsantrag im wesentlichen darauf, daß der Kläger und sein steuerlicher Vertreter dem Herabsetzungsantrag lediglich eine Ergebnisrechnung zugrunde gelegt haben, ohne bei den Vorräten die Bestandsveränderungen gegenüber dem Stand vom 31. 12. 1994 in Höhe von 451.378 DM zu berücksichtigen.
Das Finanzamt qualifizierte den Antrag auf Herabsetzung der nachträglichen Vorauszahlung 1995 als Steuerhinterziehung. Es behandelte zwar die Einkommensteuererklärung 1995 als strafbefreiende Selbstanzeige, setzte jedoch mit Bescheid vom 23. 1. 1998 Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1995 in Höhe von 932 DM gegen die Kläger fest.
Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt begründete seine Einspruchsentscheidung vom 25. 11. 1998 im wesentlichen wie folgt: Die Kläger hätten mehr als 8 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums die Herabsetzung der nachträglichen Einkommensteuervorauszahlung 1995 mit konjunkturellen Einbrüchen und der Verschärfung der Wettbewerbssituation begründet. In diesem Zeitpunkt hätten ihnen bereits die Auswertungsergebnisse aus der Buchführung 1995 zur Verfügung gestanden. Sie hätten bei einer überschlägigen Auswertung der ... Übersichten zum 31. 12. 1995 erkennen können, daß das Betriebsergebnis 1995 nicht um rund 149.000 DM hinter dem Jahresgewinn 1994 zurückbleiben würde. In ihrem Herabsetzungsantrag hätten sie einen erwarteten Gewinn 1995 ausgewiesen, der rund 351.000 DM unter dem tatsächlich erzielten Gewinn gelegen habe. Sie hätten den Herabsetzungsantrag gestellt, ohne sich über ihre Einkünftesituation 1995 näher zu informieren. Die hohe Gewinnsteigerung von 1994 auf 1995 lasse darauf schließen, daß ihnen die positive Betriebsentwicklung schon während des Kalenderjahres 1995 aufgefallen sei. Wenn sie dennoch die Herabsetzung der nachträglichen Vorauszahlung mit allgemeinen Schlagwörtern wie konjunkturelle Einbrüche und Verschärfung der Wettbewerbssituation beantragten, hätten sie zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Sie hätten in Kauf genommen, daß e...