Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldberechtigung durch Begründung eines Pflegekindverhältnisses i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG können auch Pflegekinder zu einer Kindergeldberechtigung führen. Pflegekinder sind nach der Legaldefinition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Ein familienähnliches Band ist gegeben, wenn das Kind wie zur Familie gehörig angesehen und behandelt wird. Dies wird dann angenommen, wenn zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichen Kindern besteht.
Ein familienähnliches Band kann auch mit einem bereits Volljährigen bei dessen Hilflosigkeit und Behinderung begründet werden. Auch volljährige, behinderte Geschwister können als Pflegekinder anerkannt werden.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger mit seiner volljährigen behinderten Schwester A ein Pflegekindverhältnis i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG begründet hat, insbesondere, ob A im Haushalt des Klägers aufgenommen ist.
Am 06.03.2008 beantragte der Kläger, ihm Kindergeld für seine Schwester A (geb. 20.03.1967) zu bewilligen. Aus dem vorgelegten Schwerbehindertenausweis ergab sich, dass bei A ein Grad der Behinderung von 80 % vorliegt ohne besondere Merkzeichen. Aus den übrigen Unterlagen ergab sich, dass A in einer Werkstatt für Behinderte arbeitet und in B in der C straße 36 und der Kläger in der C straße 36a lebt.
Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass die bisherige Kindergeldberechtigte, D, die Mutter von A, bereits im Dezember 2004 verstorben war. Der Kläger hatte bereits im Januar 2004 bei der Beklagten persönlich vorgesprochen, sich als Betreuer seiner Mutter ausgewiesen und beantragt, das Kindergeld für A auf ein anderes Konto als bisher zu überweisen. Im Hinblick darauf wurde das Kindergeld für A in der Folgezeit, d.h. bis einschließlich Januar 2008, auf das neue Konto, wie sich zwischenzeitlich herausstellte, das Konto seiner Ehefrau E, überwiesen.
Den Tod der Kindergeldberechtigten, zeigte der Kläger, der als Betreuer dafür zuständig gewesen wäre, der Beklagten nicht an. Die Beklagte erfuhr vom Tod der Kindergeldberechtigten erst aufgrund einer Nachfrage beim Einwohnermeldeamt der Stadt B, die durch Postrückläufer veranlasst war.
Mit Bescheid vom 17.06.2008 wurde der Antrag auf Bewilligung von Kindergeld für A abgelehnt. Zur Begründung war ausgeführt, A könnte nur als Pflegekind berücksichtigt werden, wenn sie in den Haushalt ihres Bruders aufgenommen und mit ihm durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden sei. Eine Berücksichtigung von A als Pflegekind sei vorliegend bereits deswegen nicht möglich, weil A nicht im Haushalt ihres Bruders lebe.
Im Einspruchsverfahren trug der Kläger ausweislich der von ihm selbst unterzeichneten Niederschrift vom 18.07.2008 vor, A lebe in seinem Haushalt. Seine Schwester
bewohne 2 Zimmer in seiner Wohnung und werde von ihm versorgt. Er koche für seine Schwester, die Mahlzeiten würden in der gemeinsamen Wohnung eingenommen. Die unterschiedlichen Hausnummern 36 und 36a beruhten darauf, dass früher die Mutter mit A im unteren Geschoß lebte, das wegen der Postzustellung die Hausnummer 36 trug und er im oberen Stockwerk, das wegen der Postzustellung die Hausnummer 36a trug. Seit dem Tod der Mutter lebe A bei ihm im oberen Stockwerk. Die Wohnung der Mutter stehe seit deren Tod leer.
Eine im Einspruchsverfahren am 06.08.2008 unangemeldet durchgeführte Ortsbesichtigung durch den Außendienst der Beklagten, bei der niemand angetroffen wurde, ergab, dass die tatsächlichen Angaben des Klägers unzutreffend waren. Im Gegensatz zu den Angaben des Klägers handelt es sich bei den Hausnummern C straße 36 bzw. 36a um zwei getrennte Häuser, die beide bewohnt sind.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 23.09.2008 war zur Begründung ausgeführt, die Angaben des Klägers im Einspruchsverfahren, A bewohne zwei Zimmer in seiner Wohnung im Obergeschoß seien unwahr. Bei den Anschriften C str. 36 und 36a handele es sich um zwei eigenständige Häuser. A lebe in einer eigenen Wohnung. Es fehle für ein Pflegekindschaftsverhältnis an der Haushaltsaufnahme.
Mit seiner Klage beantragt der Kläger, den Ablehnungsbescheid vom 17.06.2008 und die Einspruchsentscheidung vom 23.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Kindergeld für das Pflegekind A ab Januar 2005 zu bewilligen.
Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte vor, der Kläger sei Eigentümer der beiden Wohnhäuser in der C straße 36 und 36a. Bei diesen Häusern handele sich um einen einheitlichen Hausstand. Der Abstand der...