Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzbedürfnis für Aussetzung der Vollziehung bei Antrag auf getrennte Veranlagung
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Antrag auf getrennte Veranlagung rechtsmissbräuchlich, weil er nur darauf abzielt, dass beim anderen Ehegatten eine höhere Steuerschuld entsteht, und kann der Antragsteller durch Aufteilung der Steuerschuld gemäß § 268 AO erreichen, dass für ihn keine Steuern anfallen, so besteht für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kein Rechtsschutzbedürfnis.
Normenkette
EStG §§ 26, 26a, 26b; AO § 268; FGO § 40 Abs. 2
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin – Ast. – wurde 2007 von ihrem Ehemann Z geschieden. Die Eheleute leben seit Juni 2005 getrennt.
Die Ast. und Z waren nach den Feststellungen des Antragsgegners – Ag. – in den Streitjahren als Arbeitnehmer bei der Firma K Kurierdienst GmbH beschäftigt.
Sie hatten folgende Bruttoarbeitslöhne erhalten:
|
Z |
Ast. |
2001 |
132.500 DM |
19.500 DM |
2002 |
72.538 € |
9.848 € |
2003 |
72.548 € |
9.848 € |
2004 |
84.672 € |
9.972 € |
2005 |
106.833 € |
9.363 € |
Die Zahlungen basierten auf Rechnungen über „erbrachte Leistungen“, die Z unter dem Namen seines Sohnes J. Z. an die K Kurierdienst GmbH sowie die W GmbH ausgestellt hatte. Die Beträge wurden größtenteils überwiesen auf ein Konto bei der Sparkasse, über das Z als gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Sohnes A. Z., der Mit-Inhaber des Kontos war, verfügen konnte; J. Z. war über dieses Konto nicht verfügungsberechtigt. Teilweise wurden auch Schecks ausgestellt, die u.a. auch von der Ast. eingelöst wurden (Bericht der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts N vom 08.10.2008 an die Staatsanwaltschaft K, Bl. 4 – 6 Akte „Feststellungen der Bustra“).
Für die Jahre 2001 bis 2005 haben die Eheleute keine Einkommensteuererklärungen eingereicht.
Am 29.10.2007 wurde gegen Z ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung u.a. von Einkommensteuer der Jahre 2001 bis 2004 eingeleitet.
Am 28.10.2010 ergingen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2005, mit denen die festgestellten Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit unter Durchführung einer Zusammenveranlagung erfasst wurden. Gegen diese Bescheide legte die Ast. jeweils fristgerecht Einsprüche ein. Zur Begründung trug sie vor, sie beantrage die getrennte Veranlagung; die vom Ag. durchgeführten Zusammenveranlagungen seien somit aufzuheben. Über die Einsprüche ist noch nicht entschieden.
Am 29.11.2010 beantragte die Ast. beim Ag. die Aussetzung der Vollziehung – AdV – der streitigen Einkommensteuerbescheide.
Der Ag. hat mit Schreiben vom 09.12.2010 mitgeteilt, dass er die Einsprüche gegenwärtig für unbegründet erachte und die AdV abgelehnt. Die Ast. wurde auf die Möglichkeit, gemäß § 268 AO die Aufteilung der Steuerschuld zu beantragen, hingewiesen.
Am 04.10.2005 wurde über das Vermögen der Ast. ein Insolvenzverfahren eröffnet. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 30.03.2006 aufgehoben. Zugleich wurde festgestellt, dass die Schuldnerin nach einer Wohlverhaltensphase von 6 Jahren ab Verfahrenseröffnung Restschuldbefreiung erlangt, wenn sie den Obliegenheiten des § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach §§ 297, 298 InsO nicht vorliegen. Der Insolvenzverwalter wurde zum Treuhänder gemäß §§ 291 Abs. 2, 313 InsO ernannt.
Zur Begründung ihres am 08.02.2011 bei Gericht gestellten Antrags auf AdV trägt die Ast. vor:
„Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Aussetzung der Vollziehung (AdV) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder dessen Vollziehung eine für den Betroffenen unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte darstellen würde.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten bei der Beurteilung von Tatfragen bewirken (Gräber § 69 FGO, Rz. 77 m.w.N.).
Dabei genügt, dass ein Erfolg der Klage in der Hauptsache ebenso wenig auszuschließen ist wie deren Misserfolg (Tipke/Kruse § 69 FGO, Tz. 10).
Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (Beschluss des BFH vom 25.11.2005 – V B 75/05).
Soweit die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auf ungeklärten Rechtsfragen beruhen, ist über diese nicht im summarischen Verfahren abschließend zu entscheiden; vielmehr ist in diesem Fall AdV zu gewähren (Beschluss des BFH vom 25.11.2005 – V B 75/05).
Ernstliche Zweifel in tatsächlicher Hinsicht sind zu bejahen, wenn in Bezug auf die im Einzelfall entscheidungserheblichen Tatsachen Unklarheiten bestehen, die anhand der vorliegenden Akten sowie präsenter Beweismittel nicht beseitigt werden können.
Weiter gehende Sachverhaltsermittlungen braucht das Gericht nicht vorzunehmen (Gr...