Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsschuld des Insolvenzschuldners als Masseverbindlichkeit?
Leitsatz (amtlich)
Ist der Insolvenzschuldner im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines entgeltlichen Anstellungsvertrages Geschäftsführer einer GmbH und führt er die von der GmbH geschuldete Lohnsteuer nicht ab, so wird dadurch keine Masseverbindlichkeit begründet. Wenn der Insolvenzverwalter es dies nicht verhindert, führt dies nicht zum Entstehen einer sonstigen Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners gehört nicht zur Insolvenzmasse.
Normenkette
InsO § 35 Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative; AO §§ 34, 69, 191
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte gegen den Kläger den im Streit befindlichen Haftungsbescheid vom 27. August 2007 erlassen durfte. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des K. Mit Beschluss des Amtsgerichts K vom 08. Dezember 2005 wurde über das Vermögen des K das Insolvenzverfahren - Az.: 3 IN ... - eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Kläger, Herr Rechtsanwalt ..., bestellt. Am 24. Februar 2006 zeigte der Kläger als Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die drohende Masseunzulänglichkeit an.
K war zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über sein Vermögen Geschäftsführer der Firma M GmbH - im Folgenden: GmbH -. Für die Lohnsteueranmeldungszeiträume Januar 2006 bis September 2006 führte die GmbH die von ihr geschuldete Lohnsteuer nebst der steuerlichen Nebenleistungen und der entstandenen Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 17.200,83 € nicht an den Beklagten ab. Beitreibungsversuche bei ihr blieben ohne Erfolg. Mit Beschluss des Amtsgerichts M vom 01. Februar 2007 wurde über das Vermögen der GmbH - Az.: 4 IN ... - das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit dem Kläger bekannt gegebenem Haftungsbescheid vom 27. August 2007 wurde er in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners nach § 191 AO i. V. m. §§ 34, 69 AO in Haftung genommen (Bl.10-18 der Gerichtsakte). In der Einleitung führte der Beklagte im Wesentlichen aus,
"der Bescheid ergeht an Sie als Verwalter im Insolvenzverfahren 3 IN ... über das Vermögen des o.a. Schuldners.
Die Festsetzung der lohnsteuerlichen Haftungsschuld betrifft deren Festsetzung als sonstige Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO; denn der Abgabeanspruch (hier: lohnsteuerliche Haftungsschuld), wurde erst nach der Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens (...) über das Vermögen des K begründet. Die durch die Handlungen des Verwalters begründeten Abgabeforderungen (sonstige Masseverbindlichkeiten) sind vorweg zu begleichen (§ 53 InsO). Vorliegend sind die Verbindlichkeiten aus der Haftungsinanspruchnahme zwar nicht durch Handlungen des Insolvenzverwalters, jedoch "in anderer Weise" durch die Ver-waltung der Insolvenzmasse begründet worden. Nach § 38 InsO erfasst die Insolvenzmasse das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Neuerwerb). Das Arbeitseinkommen des Schuldners rechnet zum Erwerb i. S. des § 35 InsO. Die Haftungsschuld des K rührt nicht aus einer insolvenzfreien Tätigkeit her, sondern steht im Haftungszeitraum in direktem Zusammenhang mit laufendem Arbeitseinkommen. Es handelt sich somit um sonstige Masseverbindlichkeiten. Außerdem beruht die in Rede stehende Haftungsschuld auf Lohnsteuern, die fast ausschließlich erst nach Anzeige der drohenden Masseunzulänglichkeit am 24.02.2006 begründet worden sind. Das Finanzamt ist insoweit Neumassegläubiger. Neumasseverbindlichkeiten sind in voller Höhe und vor den Altmasseverbindlichkeiten zu befriedigen. Der Massegläubiger, der eine titulierte Forderung aus der Zeit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit hat, darf grundsätzlich in die Masse vollstrecken (Umkehrschluss aus § 210 InsO und Busch/Hilbertz in LSW steuer-office 6/2000, 213 ff.)."
Der Beklagte setzte die in der Anlage zum Haftungsbescheid aufgeführten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der GmbH auf insgesamt 17.200,83 € fest und führte aus, dass die Ansprüche während der Geschäftsführertätigkeit von K, aber nach dem 08. Dezember 2005 begründet worden seien.
Gemäß § 219 AO forderte der Beklagte den Kläger als Insolvenzverwalter auf, die Haftungssumme in Höhe von 17.200,83 € bis zum 30. September 2007 zu entrichten, und begründete den Haftungsbescheid im Folgenden. Auf den Haftungsbescheid wird verwiesen (Bl. 8 -13 der Gerichtsakte).
Mit Schriftsatz vom 07. September 2007 legte der Kläger gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2008 (Blatt 16 - 21 der Gerichtsakte) zurückgewiesen wurde.
Am 25. Juli 2008 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, die Haftungsschuld des K stelle keine Masseverbindlichkeit im Insolvenzverfahren über sein persönliches Vermögen dar, auch nicht im Wege der "Durchgriffshaftung". Es handele sich ins...