Revision eingelegt (BFH V R 7/24)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Unionsrechtswidrigkeit von Nachzahlungszinsen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer verstößt nicht gegen höherrangiges Unionsrecht.

 

Normenkette

AO § 223a

 

Tatbestand

Die Klägerin ist als Organträgerin verschiedener Tochtergesellschaften - Organgesellschaften - unternehmerisch tätig.

Die Umsatzsteuererklärung 2007, welche die Klägerin am 24. Februar 2009 beim Beklagten einreichte, veranlagte der Beklagte zunächst erklärungsgemäß. In Folge änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzung 2007 mehrfach aus nicht streitgegenständlichen Gründen.

Aufgrund einer geplanten Umstellung auf einen globalen Kontenrahmen bat die Steuerabteilung der Klägerin im Februar 2011 den Beklagten, bei der nächsten Betriebsprüfung den Veranlagungszeitraum 2010, für den sie die Umsatzsteuererklärung 2010 am 13. Februar 2012 einreichte, mit einzubeziehen, da für die Zeiträume 2007 bis 2010 ein Altsystem eingerichtet werde, um die Daten für die Betriebsprüfung zu sichern und den Datenzugriff zu gewährleisten. Der Beklagte entsprach dem Antrag und ordnete am 16. Februar 2012 die Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2007 - 2010 an, welche im September 2012 begann und im Mai 2018 endete.

Dabei wurde festgestellt, dass Umsatzsteuer aus den Niederlanden und anderen Mitgliedstaaten in Höhe von 1.298.487 € irrtümlich als inländische Vorsteuer erfasst worden sei und dass aus Lieferantenrechnungen der Firma M GmbH niederländische Vorsteuern in Höhe von 654.782 € zu Unrecht als deutsche Vorsteuern geltend gemacht worden seien. Bei der Tochtergesellschaft C GmbH fand ebenfalls eine Betriebsprüfung statt, bei der durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung … festgestellt wurde, dass in einem Konto Forderungen aus noch nicht fakturierten Lieferungen erfasst gewesen seien, bei denen eine Umsatzversteuerung der inländischen Lieferungen noch vorzunehmen sei und dass sich dementsprechend die Umsatzsteuer auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 448.799 € im Streitjahr erhöhe.

Zur Vermeidung von Nachzahlungszinsen leistete die Klägerin eine freiwillige Zahlung aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung auf die rückständigen Steuern.

Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und änderte die Umsatzsteuerfestsetzung 2007 mit Bescheid vom 14. August 2019. Auf Grund der freiwilligen Zahlung erließ der Beklagte mit Bescheid vom 12. September 2019 die festgesetzten Zinsen teilweise und mit Bescheid vom 1. Dezember 2022 passte er die Zinsforderungen auf den nunmehr geltenden Zinssatz von 0,15 % monatlich an.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, die Zinshöhe sei realitätsfern und nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Übermaßverbot bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung, welche darüber hinaus auch gegen das unionsrechtliche Übermaßverbot und den unionsrechtlichen Gleichheitssatz verstoße.

Der Einspruch wurde mit Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29. November 2021 zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt vor, da die Entscheidungskompetenz über den Streitfall allein dem EuGH zukomme und da die bisherige -verfehlte- Rechtsprechung des BFH mit der zwischenzeitlich weiter entwickelten Rechtsprechung des EuGH nicht in Einklang stehe, sei ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH einzuholen. Die Zinsfestsetzung in den angefochtenen Bescheiden verstoße gegen höher- und vorrangiges Unionsrecht. Im Bereich der Umsatzsteuer sei die Verzinsung unionsrechtlich geboten, da diese der Erhebung der Eigenmittel der EU diene und somit handele es sich bei der Festsetzung von Zinsen um Vollzug harmonisierten Unionsrechts. Somit seien die Unionsgrundrechte maßgeblich und eine Prüfung allein am Maßstab der deutschen Grundrechte nicht ausreichend, wenn konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorlägen, dass hierdurch das grundrechtliche Schutzniveau des Unionsrechts ausnahmsweise nicht gewährleistet sei. So sei neben dem Neutralitätsgrundsatz im Bereich der Umsatzsteuer der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten. Unter diesem Gesichtspunkt stelle der EuGH in einer Gesamtbetrachtung auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Steuerausfallrisikos bei der Umsatzsteuer in Hinblick auf die finanziellen Interessen der Union und ihres Systems der Eigenmittel ab. Hier sei der Union kein Steuerausfall entstanden, da die Lieferung aus den Niederlanden dort als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei gewesen wäre, nur wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung habe die dortige Festsetzung nicht mehr geändert werden können. Unter dem Gesichtspunkt des Steuerausfallrisikos sei der Union durch den erfolgten Vorsteuerabzug im Inland kein Nachteil entstanden, da es für die Eigenmittel der Union keine Rolle spiele, in welchem Mitgliedstaat die Umsatzsteuer abgeführt und in...

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