Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertung im Rahmen einer Steuerfahdnungsprüfung erlanger Beweismittel im Besteuerungsverfahren - Fernwirkung von Verwertungsverboten
Leitsatz (amtlich)
Beweis- oder Erkenntnismittel, welche die Finanzbehörde im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung in rechtmäßiger Weise erlangt hat, dürfen im Besteuerungsverfahren nur dann unter dem Gesichtspunkt der „Fernwirkung“ von Verwertungsverboten nicht verwertet werden, wenn sie mittelbar durch andere, aufgrund qualifizierter grundrechtsrelevanter Verfahrensverstöße oder in strafbarer Weise verschaffte Beweis- oder Erkenntnismittel erlangt wurden.
Normenkette
AO § 208; GG Art. 13 Abs. 1-2; EGGVG § 23
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung erlangte Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.
Der in K wohnhafte Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fa. C GmbH und wurde im Streitjahr 2003 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In seiner am 17. Januar 2005 beim Finanzamt eingegangenen Einkommensteuererklärung für 2003 erklärte er in der Anlage KAP lediglich inländische Kapitalerträge i.H. von 1.278,00 € (Bl. 18 d. ESt-Akte). Der Beklagte veranlagte mit Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 10. März 2005 erklärungsgemäß, wobei er der Besteuerung unter Berücksichtigung von Werbungskosten i.H. von 396,00 € und des Sparerfreibetrags i.H. von 882,00 € Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H. von 0,00 € zugrunde legte (Bl. 29 ff. d. ESt-Akten).
Am 06. Februar 2006 begann das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung ... beim Kläger mit einer Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 1994 bis 2004. Am gleichen Tag wurde gegen den Kläger wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung in den Jahren 2000 bis 2004 ein Strafverfahren eingeleitet.
Anlass für die Steuerfahndungsprüfung war ein vom belgischen Finanzministerium im Wege der Amtshilfe zwischen Belgien und Deutschland bzw. des sog. Spontanen Informationsaustauschs an das Bundesamt für Finanzen übermittelter und an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung weitergeleiteter Bericht vom 27. Oktober 2000, dem Ausdrucke von Microfiches beigefügt waren, wonach eine Vielzahl von deutschen Kapitalanlegern bei der X-Bank Luxembourg Société Anonyme (nachfolgend kurz: X) am 31. Januar 1994 Konten unterhalten hatten (vgl. Bl. 102 d. Rbh.-Akte und Bl. 4, 5 der Steuerfahndungsakten, Bd. I). Lt. den Angaben der Steuerfahnderin W waren die Originale der Microfiches von der Kriminalpolizei Brüssel im Jahre 1996 im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gegen die Y-Bank – die Muttergesellschaft der X – beschlagnahmt worden. Die belgische Steuerverwaltung habe die erforderliche Genehmigung zur Einsichtnahme in die betreffende Gerichtsakte gehabt (vgl. Schreiben vom 27. Oktober 2009, Bl. 100 d. Rbh.-Akte).
Ausweislich der Microfiches haben am 31. Januar 1994 die nachfolgend aufgeführten Konten des Kontoinhabers „A. N.-T.” (Name des Klägers mit Zusatz des Geburtsnamens seiner Ehefrau) bei der X bestanden:
Konto-Nr. |
Kontostand |
54-422450-18 |
496.491,05 DM |
52-422450-61 |
7.395,82 DM |
|
503.886,87 DM |
Auf Antrag des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung ordnete das Amtsgericht am 16. März 2006 wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung in den Jahren 2000 bis 2004 die Durchsuchung der Wohnräume und des Arbeitsplatzes des Klägers in den Geschäftsräumen der C GmbH sowie die Beschlagnahme der Unterlagen über Einkünfte aus ausländischem Kapitalvermögen an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen vom 16. März 2006 (Bl. 103 ff. d. Rbh.-Akte; Bl. 126 ff. d. Steuerfahndungsakten, Bd. I) verwiesen.
Am 08. August 2006 fand daraufhin eine Durchsuchung der Wohnräume des Klägers sowie der Geschäftsräume der C GmbH statt. Zu Beginn der Durchsuchung wurden dem Kläger jeweils Ausfertigungen der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen vom 16. März 2009 (Bl. 35 ff. d. Rbh.-Akte) übergeben, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Wegen der bei der Durchsuchung vom Kläger überlassenen Beweismittel wird auf die Nachweisungen vom 08. August 2006 nebst Anlagen (Bl. 132 f. und Bl. 145 f. d. Steuerfahndungsakten, Bd. I) verwiesen.
Mit Schreiben vom 08. April 2008 wandte sich der Kläger an die Steuerfahnderin u.a. mit dem Einwand, die ihm bei der Durchsuchung übergebenen Ausfertigungen der Durchsuchungsanordnungen vom 16. März 2006 enthielten keine rechtsgültige Unterschrift eines Urkundsbeamten. Die Steuerfahndungsstelle übersandte das Schreiben des Klägers daraufhin an das Amtsgericht, das es als Beschwerde gemäß § 306 StPO auslegte, dieser allerdings durch Beschluss vom 05. August 2008 nicht abhalf. Demgegenüber gelangte das Landgericht lt. einer Verfügung vom 11. August 2008 zu der Auffassung, dass es sich nicht um eine Beschwerde handele (vgl. Bl. 209 ff., 219, 286, 299, 300 d. Steuerfahndungsak...