Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsfreibetrag setzt keine förmliche Antragstellung voraus. bei Nichtgewährung greift im Wiedereinsetzungsverfahren die Nichtverschuldensvermutung nach § 126 Abs. 3 AO. Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages nicht von förmlichem Antrag abhängig. Wiedereinsetzung in vorigen Stand bei Nichtbeachtung des Antrags durch FA. Einkommensteuer 1987
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Antragstellung für den Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG ist an keine Form gebunden, sondern kann auch stillschweigend durch die Angabe kinderbezogener Daten im Erklärungsvordruck oder den beigefügten Anlagen erfolgen.
2. Berücksichtigt das Finanzamt den Ausbildungsfreibetrag trotz konkludenter Antragstellung ohne Angabe von Gründen nicht, kann der Bescheid auch noch nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist über § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO im Rahmen eines Wiedereinsetzungsverfahrens nach § 110 AO korrigiert werden, da die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist nach § 126 AO aufgrund der Verletzung des Begründungserfordernisses nach § 120 AO als nicht verschuldet gilt.
Normenkette
EStG 1987 § 33a Abs. 2; AO 1977 § 172 Abs. 1 Nr. 2a, §§ 110, 126 Abs. 3 S. 1; EStG 1987 § 32; EStR 1990 Abschn. 213a Abs. 7; AO 1977 §§ 89, 126 Abs. 3, § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
Tenor
I. Unter Aufhebung des Bescheides vom 25. April 1989 und der Einspruchsentscheidung vom 03. Juli 1989 wird das Finanzamt verpflichtet, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger und der Beklagte zu je 1/2 zu trage.
III, Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte den nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gestellten Antrag auf Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages nach § 33a Abs. 2 EStG zu Recht abgelehnt hat.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie haben vier steuerlich zu berücksichtigende Kinder. Ihr ältester Sohn M. ist am 23.6.1969 geboren und hat demzufolge im Streitjahr 1987 das 18. Lebensjahr vollendet. Er befand sich das gesamte Jahr als Gymnasiast in Berufsausbildung.
In der Einkommensteuererklärung 1987, die der steuerliche Berater der Kläger fertigte, waren entsprechende Angaben zu „Kindern mit Wohnsitz im Inland” (Zeile 29–47) gemacht. Eine Bescheinigung des Gymnasiums, das der Sohn M. besuchte, war beigefügt. Weitere Angaben, insbesondere auf Seite 4 des Erklärungsvordrucks unter „Außergewöhnliche Belastungen” (Zeile 86 ff.) waren nicht gemacht.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 4. Mai 1988 veranlagte der Beklagte die Kläger auf der Grundlage der in der Erklärung gemachten Angaben. Der Ausbildungsfreibetrag wurde dabei nicht gewährt, jedoch 4 volle Kinderfreibeträge. Gegen den Bescheid wurden innerhalb der Rechtsbehelfsfrist keine Einwendungen erhoben. Mit Schreiben vom 15. März 1989 stellten die Kläger unter Hinweis auf § 89 AO den Antrag auf Gewährung eines zeitanteiligen Ausbildungsfreibetrages nach § 33a Abs. 2 EStG. Den Antrag wies der Beklagte mit Bescheid vom 25. April 1989 zurück. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 1989). Der Beklagte begründete seine ablehnende Entscheidung im wesentlichen damit, daß neue Tatsachen, die ein Änderung zu Gunsten der Kläger nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO rechtfertigen könnten, nicht nachträglich bekanntgeworden seien. Der Antrag als solcher sei keine Tatsache im Sinne der genannten Vorschrift. Tatsache sei allein der der Steuervergünstigung zugrundeliegende Lebenssachverhalt, der bei der Durchführung der Veranlagung bereits bekannt gewesen sei. Selbst wenn man das Vorliegen von nachträglich bekanntgewordenen neuen Tatsachen annehmen würde, stünde einer Änderung des Bescheids das grobe Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden entgegen. Das Verschulden des steuerlichen Beraters sei den Klägern zuzurechnen. Auf die Vorschrift des § 89 AO könnten die Kläger ihr Begehren nicht stützen, da das Finanzamt nicht gehalten sei, die Angaben in der Steuererklärung daraufhin zu überprüfen, ob unter Umständen noch Anträge auf Steuervergünstigungen gestellt werden könnten. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Antragsteller, wie dies bei den Klägern der Fall sei, steuerlich beraten seien.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Gewährung des Ausbildungsfreibetrages weiter. Sie bestreiten das Vorliegen eines groben Verschuldens; der Antrag auf Gewährung des Ausbildungsfreibetrages sei lediglich aus Versehen nicht gestellt worden. Im übrigen habe das Finanzamt nach den Grundsätzen der Amtsermittlung und der Fürsorgepflicht gem. §§ 88, 89 AO darauf hinwirken müssen, daß entsprechende Anträge gestellt würden, wenn die materiellen Grundlagen für eine antragsabhängige Steuervergünstigung eindeutig aus der Steuererklärung ersichtlich seien.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
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