Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen wirtschaftlichen Eigentums

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums bei einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer reicht es nicht aus, dass der Eigentümer in der Ausübung seiner Rechte so stark eingeschränkt ist, dass sein Eigentumsrecht weitgehend ausgehöhlt ist. Hinzu kommen muss, dass der andere an seiner Stelle in der Lage ist, an Stelle des Eigentümers wie ein Eigentümer verfügen zu können. Dies ist nicht der Fall, wenn er lediglich ein Anwartschaftsrecht auf den Eigentumserwerb hat und Verfügungen des Eigentümers ohne seine Zustimmung nicht möglich sind.

 

Normenkette

AO § 93 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger wirtschaftlicher Eigentümer eines Apothekengrundstücks ist.

Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger ist am ... November ... geboren, die Klägerin am ... April .... Die Ehe ist kinderlos. Der Kläger ist Apotheker. Seit 1966 hatte er die Apotheke seines Vaters gepachtet; das Warenlager hatte er damals käuflich erworben. Der Bruder des Klägers ... ist ebenfalls Apotheker; er betreibt eine andere Apotheke in einer anderen Gemeinde.

Nachdem der Vater des Klägers verstorben war, übertrug ihm seine Mutter mit notariellem Vertrag vom 24. Januar ... die Apotheke im Wege vorweg genommener Erbfolge (Bl. 6 - 17 der Prozessakte). An seinen Bruder ... hatte er Gleichstellungsgelder in Höhe von 140.000 DM zu zahlen. § 8 des Übergabevertrages lautet:

„Es ist der Wunsch der Eheleute ... und ... geb. ... stets gewesen, dass die ...-Apotheke im Besitze der Familie ... verbleibe.

Die Ehe der Eheleute Hans ... und ... geborene ... ist jedoch bisher kinderlos geblieben.

In einer besonderen Urkunde werden die Eheleute ... und ... geb. K vereinbaren, dass nach dem Tode des Überlebenden von ihnen die Apotheke wiederum an Herrn R fallen soll.

Zur Sicherung des Anspruchs auf Eigentumsübertragung an Herrn R bzw. seine etwaigen Abkömmlinge, bewilligt Herr W R bereits jetzt die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu dessen Gunsten in Abteilung II des Grundbuches mit Rang nach einer Grundschuld von 140.000 DM nebst Zinsen sowie dem Wohnungsrecht der Witwe R und der bewilligten Reallast.“

Die Übergeberin und der Kläger verpflichteten sich in der Urkunde, die Vereinbarungen ohne Zustimmung des K R weder aufzuheben, noch abzuändern.

Am selben Tag schlossen die Kläger einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Im Wege des Vermächtnisses und der Teilungsanordnung bestimmten sie, dass nach dem Ableben des Letztlebenden der Bruder des Klägers das Apothekengrundstück samt aufstehenden Gebäuden und allem Zubehör, sowie die in diesem Hause unter dem Namen ...-Apotheke betriebene Apotheke mit dem gesamten zugehörigen Inventar sowie allen Aktiven und Passiven - mit Ausnahme des Warenlagers - als Vorausvermächtnis erhalten soll. Als Ersatzvermächtnisnehmer wurden die Abkömmlinge des K R bestimmt. Weiter wird ausgeführt.

„Das vorbezeichnete Hausgrundstück mit der darin betriebenen ...-Apotheke ist dem Ehemann W R in anderer Urkunde des unterzeichneten Notars vom heutigen Tage von seiner Mutter ... im Wege der vorweg genommenen Erbteilung übertragen worden. Der Ehemann W R hat sich in dieser Urkunde verpflichtet, das vorbezeichnete Hausgrundstück sowie die darin betriebene ...-Apotheke weder zu veräußern, noch zu belasten.“

Die Kläger behielten sich in dem Erbvertrag das Recht vor, über ihr übriges Vermögen nach eigenem Ermessen von Todes wegen oder unter Lebenden frei zu verfügen.

Der Übergang des Betriebes einschließlich des Grundstücks wurde steuerlich als unentgeltlicher Erwerb behandelt; der Kläger führte die Buchwerte des Rechtsvorgängers fort, wobei das Grundstück zu 50 % dem Betriebsvermögen zugerechnet wurde.

Durch Apothekenübergabevertrag vom 7. Juni 1995 verpachtete der Kläger die ...-Apotheke ab 1. Juli 1995 an einen Mitarbeiter. Die Apothekenbetriebsräume vermietete er an den Pächter. Zum ... Dezember ... verkaufte er die Apotheke zum Kaufpreis von 580.000 DM an den Pächter. Den betrieblichen Grundstücksanteil entnahm er aus dem Betriebsvermögen.

Bei der Ermittlung des Aufgabegewinns gingen die Kläger von einem gemeinen Wert des gesamten Grundstücks von 230.000 DM aus und setzten dem entsprechend den bilanzierten Grundstücksteil mit 115.000 DM an. Der so ermittelte Aufgabegewinn betrug 678.391 DM.

Bei der Ermittlung des Grundstückswerts vertraten die Kläger die Auffassung, dass wegen des Veräußerungsverbots und der Auflassungsvormerkung wirtschaftlich nur ein Nutzungsrecht zu bewerten sei. Die Kläger gingen von einer Monatsmiete für gewerbliche Räume von 2.900 DM aus. Wegen eines Reparaturstaus von über 100.000 DM sei die daneben vorhandene Wohnung wertlos und nicht vermietbar. Gemäß Anlage 9 zum Bewertungsgesetz betrage der Kapitalwert einer lebenslänglichen Nutzung das 8,307 fache des Jahresbetrages. Bei einer Jahresmiete von 34.800 DM ergebe sich somit ein Wert von 290.000 DM. Davon sei noch...

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