Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit bei Umsätzen aus ästhetisch-plastischer Chirurgie
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beurteilung der medizinischen Indikation eines ästhetisch-plastischen Eingriffs durch den behandelnden Arzt ist für das Gericht nicht bindend. In Zweifelsfällen muss vielmehr ein Sachverständigengutachten darüber eingeholt werden.
2. Ein Sachverständigengutachten über die medizinische Indikation eines ästhetisch-plastischen Eingriffs auf der Basis anonymisierter Patientenunterlagen ist für die Feststellung der Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht ausreichend. Das Gericht ist an der Einholung eines Sachverständigengutachtens gehindert, solange keine Einverständniserklärung des betroffenen Patienten vorliegt.
Normenkette
UStG 2002 § 4 Nr. 14; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Umsatzsteuerfreiheit von ästhetisch-plastischen Operationen.
Die Klägerin betreibt eine Klinik, in der durch approbierte Ärzte vorwiegend ästhetisch-chirurgische Maßnahmen wie Fettabsaugungen, Gesichts-, Hals- und Augenlid-Straffungen, sowie Brustvergrößerungen, -verkleinerungen, und -straffungen durchgeführt werden.
Ihre Umsätze aus diesen Operationen erklärte die Klägerin als nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfreie Umsätze.
Mit dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 25.09.2003 behandelte der Beklagte die streitigen Umsätze als steuerpflichtig zum Regelsteuersatz. Den dagegen gerichteten Einspruch begründete die Klägerin zum einen damit, dass die Eingriffe medizinisch indiziert und deshalb steuerfrei seien, und zum anderen, dass es sich bei dem erklärten Betrag um einen Brutto-Betrag handele, aus dem die MwSt heraus zu rechnen sei. Zudem seien noch Vorsteuern zu berücksichtigen. Der Beklagte erließ im Einspruchsverfahren einen geänderten Umsatzsteuerbescheid, mit dem er den Hilfsanträgen der Klägerin stattgab, also die Umsatzsteuer aus dem als steuerfreien Umsatz erklärten Betrag heraus rechnete und die geltend gemachten Vorsteuern berücksichtigte. Im Übrigen wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06.06.2007 zurückgewiesen.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, der Beklagte gehe zu Unrecht von steuerpflichtigen Schönheitsoperationen aus; vielmehr handele es sich bei den streitgegenständlichen Leistungen um nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Heilbehandlungen.
Die Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung sei nicht durch § 4 Nr. 16 ausgeschlossen. § 4 Nr. 14 UStG knüpfe an den Beruf an und nicht - wie Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst c) der 6. EG-Richtlinie - an den Ort der Leistungserbringung. Die Klägerin könne sich auf das für sie günstigere nationale Recht berufen. Sie erfülle in beruflicher Hinsicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG, da die die Leistungen ausführenden Personen über die ärztliche Berufsqualifikation verfügten; auf die Rechtsform komme es nicht an. Zudem betreibe die Klägerin kein Krankenhaus im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG.
Falls das Gericht gleichwohl die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 16 UStG bejahen sollte, werde beantragt, das Verfahren im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren V R 5/08 ruhen zu lassen.
Die Klägerin betreibe ein Institut für biomedizinische Gesundheit, ganzheitsmedizinische Anwendungen, Vitalisierungsprogramme und Naturheilverfahren. Dabei habe sie im Streitjahr - ausschließlich durch approbierte Ärzte - u.a. Fettabsaugungen, Liftings, Augenlidkorrekturen, Brustveränderungen und laserchirurgische Eingriffe durchgeführt.
Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin liege im Bereich der Fettabsaugung (über 43%). Das Soft-Lifting mache 26 - 28% aus, die Augenlid-Operationen 15 - 16% und die Brustveränderungen 8%.
Bei dem Unternehmen der Klägerin handele es sich nicht um eine Schönheitsklinik. Im Gegensatz zu anderen Anbietern führe sie keine rein kosmetisch indizierten Eingriffe durch; vielmehr seien sämtliche Eingriffe medizinisch indiziert. Eine rein kosmetische Motivation akzeptiere die Klägerin nicht als Eingriffsgrundlage; sie führe keine Veränderungen allein aufgrund kosmetischer Wunschvorstellungen durch.
Dies gelte auch für die Brustkorrekturen. Alle Patientinnen hätten sich in einem Zustand einer Gesundheitsstörung wie z.B. einer psychischen Notsituation befunden, was teilweise in Depressionen, Tablettenmissbrauch, krankhaften Organmanifestationen oder Bulimie zutage getreten sei.
Die Umsätze der Klägerin würden somit die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien zur Umsatzsteuerbefreiung ärztlicher Leistungen erfüllen.
Nach § 4 Nr. 14 UStG würden die Umsätze aus einer Tätigkeit als Arzt befreit. Zwar sei die Vorschrift gemeinschaftsrechtskonform einschränkend dahin auszulegen, dass mit dem Begriff „Tätigkeit als Arzt“ Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-Richtlinie zu verstehen seien. Derartige Heilbehandlungen umfassten nach der Definition des BFH Tätig...