Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; keine Fiktion mangelnden Verschuldens bei fehlender vorheriger Anhörung oder Begründungsmängeln
Leitsatz (redaktionell)
Einer vorherigen Anhörung des Steuerpflichtigen bedarf es nicht, wenn das Finanzamt ohne Sachverhaltsabweichung der Besteuerung eine von zwei möglichen Alternativen zum Abzug von Werbungskosten zugrunde legt. Ist dem Steuerbescheid sodann eine Begründung beigefügt, so kann die Fiktion des § 126 Abs. 3 AO nur greifen, wenn die Begründung die entscheidungserheblichen Abweichungspunkte nicht oder nur völlig unverständlich aufführt, so daß ihre Rechtsschutzfunktion nicht gewährleistet ist.
Normenkette
AO § 126 Abs. 3, § 91 Abs. 1, § 121 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt den Einspruch des Klägers vom 13. August 1999 gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 27. Juli 1998 zu Recht als unzulässig verworfen hat oder ob es gehalten gewesen wäre, wegen Versäumung der Einspruchsfrist nach § 110 Abs. 1 i. V. m. § 126 Abs. 3 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der 1939 geborene Kläger - er ist seit April 1995 verwitwet - ist als ... im Organisationsreferat ... beschäftigt. Mit notariellem Vertrag vom 20. November 1995 erwarb er zwei zum 23. Dezember 1995 fertiggestellte und sodann zu Wohnzwecken fremd vermietete Eigentumswohnungen (ETW), und zwar Wohnung Nr. 13: 64 qm und Wohnung Nr. 21: 63 qm im Anwesen in ... Durch Ankreuzen jeweils der Zeile 43 in der Anlage V nahm er für 1996 hinsichtlich beider Wohnungen die mit Jahressteuergesetz 1996 erstmalig für 1996 (und letztmalig für 1998) geschaffene Pauschbetragsregelung nach § 9a S. 1 Nr. 2 EStG in Anspruch (vgl. Bl. 11 und 15, jeweils Rückseite, ESt-Akte 1996). Für das Jahr 1997 kreuzte er gleichfalls für beide Wohnungen das entsprechende Kästchen (Zeile 42 der Anlage V) an (vgl. Bl. 7 und 11, jeweils Rückseite, ESt- Akte 1997). Hinsichtlich Wohnung Nr. 13 führte er zusätzlich in den Zeilen 54 bis 56 einzelne - vom Pauschbetrag mitumfasste - Werbungskosten (Anzeige- und Rechtsverfolgungskosten) im Gesamtbetrag von 2.740,-- DM auf.
Da die Berücksichtigung des Pauschbetrags zu einer geringeren Auswirkung geführt hätte (= 2.688,-- DM), setzte das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 27. Juli 1998 (Bl. 13 ESt-Akte 1997) für ETW Nr. 13 die nachgewiesenen tatsächlichen Aufwendungen an. In dem hierzu vom Finanzamt verwandten standardisierten Erläuterungstext zum Bescheid heißt es:
"Neben dem Pauschbetrag für Werbungskosten von 42,-- DM pro qm Wohnfläche können nur Schuldzinsen und Absetzungen für Abnutzung abgezogen werden.
Sie haben für diesen Veranlagungszeitraum die Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung - nach pauschaler Ermittlung in früheren Jahren - in tatsächlicher Höhe abgezogen. Eine erneute Werbungskosten-Pauschalierung ist bei dem/r betreffenden Gebäude / Wohnung erst nach Ablauf der vier folgenden Veranlagungszeiträume zulässig."
Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 24. Juni 1999 reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärung für 1998 beim Finanzamt ein. In den Anlagen V beantragte er, für beide Wohnungen den Werbungskostenpauschbetrag nach § 9a S. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen. Mit Schreiben vom 7. Juli 1999 wies das Finanzamt den Kläger darauf hin, dass für ETW Nr. 13 eine Pauschalierung nicht möglich sei, da der Kläger für 1997 die diesbezüglichen Werbungskosten in tatsächlicher Höhe abgezogen habe. Gleichzeitig bat es um eine Einzelaufstellung der weiteren Werbungskosten für ETW Nr. 13. In seinem Antwortschreiben vom 15. Juli 1999, das am selben Tag beim Finanzamt einging, teilte der Kläger mit, dass er wegen der zu erwartenden Streichung der Pauschalierungsvorschrift an der Beibehaltung der Pauschalierung hinsichtlich ETW Nr. 13 für 1997 und 1998 nicht weiter interessiert sei und bat um Abzug der Werbungskosten in tatsächlich entstandener Höhe. Für 1997 seien neben den bereits berücksichtigten Kosten von 2.740,-- DM laut Verwalterabrechnung (Bl. 18 ESt-Akte 1997) weitere Werbungskosten von 2.505,96 DM (Mietnebenkosten) abzuziehen. Mit Schreiben vom 4. August 1999 lehnte das Finanzamt eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 1997 ab, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Daraufhin bat der Kläger mit Schreiben vom 13. August 1999, das am selben Tag beim Finanzamt einging, sein Schreiben vom 15. Juli 1999 als Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 27. Juli 1998 zu behandeln. Gleichzeitig beantragte er, wegen Versäumung der einmonatigen Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er begründete dies unter Bezugnahme auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 13. November 1986 (EFG 1987, 155 = Bl. 19 PrA) damit, dass ihm erst durch das finanzamtliche Schreiben vom 7. Juli 1999 klar geworden sei, dass das Finanzamt im Bescheid 1997 von seiner Erklärung abgewichen sei. Das Finanzamt habe es verabsäumt, vor Abweichung von der Steuererklärung den Sachv...