Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsfähigkeit von Prozesszinsen und Verbindlichkeiten aus einer Vermächtnisanordnung sowie Pflichtteilsansprüchen als Nachlassverbindlichkeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Prozesszinsen, die der Erbe an den Pflichtteilsberechtigten zahlen muss, zählen zu den abzugsfähigen gerichtlichen Nachlassregulierungskosten.
2. Soweit der Erbe mit dem Vermächtnisnehmer einen gerichtlichen Vergleich über das Vermächtnis abschließt und dieser Vergleich einen erbrechtlichen Rechtsgrund hat, ist nur die Vergleichssumme als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.
3. Pflichtteilsansprüche können nur in der Höhe als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden, in der sie vom Pflichtteilsberechtigten (vergleichsweise) tatsächlich geltend gemacht wurden.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1
Tatbestand
Strittig geblieben ist, in welcher Höhe Prozesszinsen und Verbindlichkeiten aus einer Vermächtnisanordnung als Nachlassverbindlichkeiten anzuerkennen sind.
Die am 24. Mai 2000 verstorbene Erblasserin I. D. wurde laut Erbschein des Amtsgerichts K (Blatt 14 ErbSt-A Bd. I) aufgrund privatschriftlichen Testamentes vom 25. März 2000 (Blatt 16 ErbSt-A Bd. I) vom Kläger allein beerbt.
Zum Nachlass der Erblasserin gehörte auch der Hälfteanteil am Wohnungs- und Teileigentum Nr. 3, D-Straße Hausnummer in M. Die andere Hälfte der ETW stand im Eigentum des am 5. September 1998 vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin, Dr. F. D., welcher von der Erblasserin aufgrund gemeinschaftlichen Testaments vom 22. November 1993 (Blatt 39-50 ErbSt-A Bd. I) als unbeschränkte Vorerbin beerbt wurde. Als Nacherben waren der eheliche Sohn der Erblasserin Prof. Dr. D. sowie die Enkelkinder H. und U. B. (die Kinder des vorverstorbenen und ebenfalls ehelichen Sohnes der Erblasserin Dr. A. D.) bestimmt worden.
In Bezug auf die ETW in M traf die Erblasserin folgende testamentarische Verfügung:
"Meine Nichte U. S. soll meine Wohnung in M erhalten" (Zitat).
Den Bedarfswert des Hälfteanteils der Erblasserin stellte das Finanzamt M im Bescheid vom 7. Dezember 2005 auf einen Betrag in Höhe von 76.000 € (= 152.000 DM) fest (Blatt 194 ErbSt-A Bd. II).
Die von der Vermächtnisnehmerin vor dem Landgericht F unter dem Aktenzeichen Kammer O .../07 gegen den Kläger geführte Klage auf Vermächtniserfüllung wurde durch schriftliche Vereinbarung vom 20. Juni 2007 dadurch beigelegt, dass sich der Kläger zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 40.000 € und die Vermächtnisnehmerin im Gegenzug zur Rücknahme der Klage verpflichtete (Blatt 503 ErbSt-A Bd. III). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftliche Vereinbarung vom 20. Juni 2007 Bezug genommen.
Mit Teil-Urteil des Oberlandesgerichts vom 16. Juli 2002 wurde der Kläger dazu verurteilt, an Prof. Dr. D. einen Pflichtteilsbetrag in Höhe von 383.468,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 28. November 2000 zu zahlen (Blatt 232 ErbSt-A). Diesem Urteil kam der Kläger nach und überwies an den Pflichtteilsberechtigten am 3. September 2002 einen Gesamtbetrag in Höhe von 440.352,90 € (Blatt 242 ErbSt-A); davon entfiel ein Betrag in Höhe von 56.883,99 € (= 111.255,41 DM) auf die angefallenen Prozesszinsen (Blatt 225 und 310 ErbSt-A). Nach weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen zahlte der Kläger an Prof. Dr. D. auf dessen Pflichtteilsanspruch weitere 464.294 € zuzüglich weiterer Zinsen in Höhe von 384 € (Blatt 653 und 714 ErbSt-A Bd. IV); die Pflichtteilszahlungen summierten sich somit auf insgesamt rund 1.658.080 DM und die Zinszahlungen auf insgesamt rund 112.003 DM.
Gegen die durch Bescheid vom 17. November 2005 festgesetzte Erbschaftsteuer (Blatt 539/540 ErbStG Bd. III) legte der Kläger am 7. Dezember 2005 Einspruch ein (Blatt 564/565 ErbSt-A). Während des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger am 16. Februar 2009 eine berichtigte Steuererklärung ein (Blatt 589-615 ErbSt-A Bd. IV). Im nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 6. August 2009 (Blatt 628/629 ErbSt-A Bd. IV) reduzierte der Beklagte die Erbschaftsteuer auf einen Betrag in Höhe von 313.202,07 €. Bei der Festsetzung wich der Beklagte von den Erklärungsangaben in der korrigierten Steuererklärung vom 16. Februar 2009 teilweise ab.
Nachdem der Beklagte am 2. Juni 2010 davon Kenntnis erlangte, dass der Kläger im Schreiben vom 12. Februar 2010 (Blatt 559/560 ErbSt-A Bd. III) unter Erhebung der Einrede der Verjährung es ablehnte, den Herren B. auf ihre Pflichtteilsansprüche über die bisherige Zahlung von insgesamt 750.000 DM (Blatt 559 Rücks. ErbSt-A Bd. III) hinaus weitere Zahlungen in Höhe des Restbetrages zu leisten, den Herr Prof. Dr. D. insgesamt erhielt (= 1.658.080 DM), berücksichtigte er die Pflichtteilsschuld gegenüber den Herren B. im Bescheid vom 24. August 2011 (Blatt 707/708 ErbSt-A Bd. IV) nicht mehr mit einem Betrag in Höhe von 1.658.080 DM, sondern nur noch in Höhe des Zahlbetrages von 750.000 DM. Weiterhin erkannte er die als Nachlassverbindlichkeiten geltend gemachten Prozesszinsen i...