Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der Erbquote bei Vergleich zwischen den Miterben, wenn vom Inhalt des Vergleiches abweichender Erbschein erteilt wurde
Leitsatz (amtlich)
1. Weicht der Erbschein von einem Vergleich der Miterben über den Nachlass ab, so ist der Vergleich für die Ermittlung der Erbquote maßgeblich.
2. Bei einem Streit zwischen den Miterben über den Umfang der Nachlassbeteiligung ist die Erbquote aus dem Verkehrswertverhältnis der zugewiesenen Vermögensgegenstände zu dem übrigen Nachlass abzuleiten. In einem Vergleich getroffene Verteilungsabreden zwischen den Miterben sind nur beachtlich, wenn und soweit sie die Erbquote beeinflussen.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1;; BGB § 2047; BGB § 2048; BGB § 779 Abs. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob bei der Ermittlung der festzusetzenden Erbschaftsteuer von der im Erbschein ausgewiesenen Erbquote oder von der in einem Erbvergleich getroffenen Auseinandersetzungsvereinbarung auszugehen ist.
Die am 4. März 2006 verstorbene Erblasserin (Blatt 2 ErbSt-A) vermachte im handschriftlichen Testament vom 30. Oktober 2003 (Blatt 48 ErbSt-A ihr "Bar- und Sparvermögen" in Höhe eines Anteils von 1/3 dem Kläger, ihrem Neffen (Blatt 88 ErbSt-A) und in Höhe eines Anteils von 2/3 Herrn H. W., ihrem Lebensgefährten (Blatt 42 PA). Herr G. B. sollte ihr Hausgrundstück in N erhalten.
In seinem Erbscheinsantrag vom 17. November 2006 (Blatt 37-40 PA) gab Herr G. B. an, dass Herr W im gleichen Zeitraum wie die Erblasserin verstorben sei. Es könne nicht ermittelt werden, wer von beiden länger gelebt habe, weshalb nach § 11 des Verschollenheitsgesetzes beide gleichzeitig als verstorben gelten würden. Ein Erbrecht von Herrn H. W. scheide daher aus; sein Erbteil wachse den verbleibenden Erben im Verhältnis ihrer Erbteile an (Blatt 39 PA). Ausgehend von einem Geldvermögen der Erblasserin von 175.000 € und von einem Verkehrswert des Hausgrundstücks von 200.000 € (Blatt 38 PA) ermittelte er seine auf das Hausgrundstück entfallende Erbquote auf einen Anteil in Höhe von 600/1125, die sich um den auf ihn entfallenden Erbanteil des Herrn W von 271/1125 auf insgesamt 871/1125-Anteile erhöht habe (Blatt 39 PA). Der Kläger vertrat in seinem an das Nachlassgericht gerichtete Schreiben vom 1. Dezember 2006 (Blatt 41-46 PA) demgegenüber die Ansicht, dass er alleiniger Erbe der Erblasserin geworden sei, da die Zuwendung des Hausgrundstücks mit einem Verkehrswert allenfalls in Höhe von 130.000 € (Blatt 45 PA) nach der Auslegungsregel des § 2087 BGB als Vermächtnis zu beurteilen sei.
Am 4. Juni 2007 einigte sich der Kläger mit Herrn G. B. vor dem Notar W in der Urkunde mit der Nr. ...7/2000 (Blatt 3-5 ErbSt-A) wie folgt:
"1. Die Spareinlagen der Erblasserin, geführt bei der Kreissparkasse
– zu Konto Nr. ...851 (Kontostand per 05.01.2006 = 130.548,93 € zuzüglich Zinsen und Boni ab Januar 2006),
– zu Konto Nr. ...467 (Kontostand per 30.03.2006 = 43.624,37 € zuzüglich Zinsen), erhalten Herr G. B. zu 1/3 Anteil und Herr W. L. (der Kläger, Anm. d. Neutralisierenden) zu 2/3 Anteil. …
2. Den Ring mit Brillanten, die Goldkette mit Kreuz, 6 Kelchgläser und die vorhandenen Familienbilder erhält Herr W. L. …
3. Das Hausgrundstück der Gemarkung B Flur ... Nr. ..., Gebäude- und Freifläche, T, 5,46 Ar, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts L von B Blatt ..., einschließlich Inventar und aller sonstigen Einrichtungsgegenstände, erhält Herr G. B.
Mit der vorstehenden Auseinandersetzung ist der gesamte Nachlass der verstorbenen Frau M. H. M. geborene B. endgültig auseinandergesetzt.
Herr W. L. verpflichtet sich hiermit seine Beschwerde im Nachlassverfahren beim Amtsgericht L unter dem Aktenzeichen .../2006 unverzüglich zurückzunehmen, damit der beantragte Erbschein … gemäß dem Erbscheinsantrag vom 17.11.2006 erteilt werden kann. …" (Zitat)
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Notarvertrag vom 4. Juni 2007 verwiesen.
Das Amtsgericht L folgte dem Erbscheinsantrag des Herrn G. B. Im Erbschein vom 14. Juni 2007 (Blatt 1 ErbSt-A) bescheinigte es, dass die Erblasserin von Herrn G. B. zu 871/1125 Anteil (= 77,43 %) und vom Kläger zu 254/1125 Anteil (= 22,57 %) beerbt worden sei.
Den Grundbesitzwert des im Nachlass befindlichen Hausgrundstücks stellte das Lagefinanzamt N im Bescheid vom 6. August 2007 (Blatt 22 ErbSt-A) für Zwecke der Erbschaftsteuer gesondert und einheitlich auf 48.500 € fest.
Mit Bescheid vom 20. August 2007 (Blatt 31/32 ErbSt-A) wurde gegen den Kläger die Erbschaftsteuer auf 17.765 € festgesetzt. Bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer legte der Beklagte die Auseinandersetzungsvereinbarung vom 4. Juni 2007 zu Grunde und rechnete dem Kläger zunächst 117.167 € (= 2/3 von 175.750 €) an Kapitalvermögen der Erblasserin zu (Blatt 31 Rückseite ErbSt-A). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Erbschaftsteuerbescheid vom 20. August 2007 verwiesen.
Seinen am 18. September 2007 per Fax erhobenen Einspruch (Blatt 53-57 ErbSt-A) begründete der Kläger im ...