Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland des Kindergeldempfängers
Leitsatz (amtlich)
Zur Begründung eines Wohnsitzes in Deutschland recht es nicht aus, dass sich jemand, der dauernd und langfristig mit seiner Familie im Ausland wohnt, nur gelegentlich im Urlaub oder zu Besuchszwecken in einer Wohnung oder in Räumen aufhält, die ihm unentgeltlich von Dritten, z.B. von den Eltern, zur Verfügung gestellt werden. In einem solchen Fall nutzt er die zur Verfügung gestellten Räume nicht als Bleibe und damit nicht als Wohnsitz, sondern nur besuchsweise oder als Ferienwohnung.
Normenkette
AO § 8; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 78 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Sache befindet sich im 2. Rechtsgang.
Streitig ist im Rahmen der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs noch, ob der Kläger einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland im Zeitraum September 1996 bis April 1997 hatte und ob Leistungen für Kinder nach portugiesischem Recht einen Kindergeldbezug nach deutschem Recht ausschließen.
Der Kläger war in den letzten zehn Jahren in unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen beschäftigt, teilweise arbeitete er auf Ölplattformen. Der Kläger ist Eigentümer eines Hauses in H und in W (beide Orte in Deutschland; Anm. d. Einsenders). Er ist Vater von vier Kindern. Die Familie hält sich überwiegend in Portugal auf. Am 19. September 1986 beantragte der Kläger beim Rechtsvorgänger des Beklagten die Zahlung von Kindergeld. Die Zahlung wurde bewilligt und auch in der Folge geleistet. Mit Schreiben vom 30. Mai 1997, adressiert an die Anschrift in H, trat der Beklagte an den Kläger heran und trug vor, er - der Kläger - habe von Juni 1986 bis April 1997 Kindergeld in Höhe von insgesamt 90.500,00 DM zu Unrecht bezogen, weil er sich überwiegend mit seiner Familie in Portugal aufgehalten habe. Der Beklagte hob sodann die Bewilligung der Zahlung des Kindergeldes für alle vier Kinder auf und forderte die in der Zeit von Juni 1986 bis Dezember 1995 geleistete Zahlung in Höhe von insgesamt 73.050,00 DM nach § 50 SGB X zurück. Die in der Zeit von Januar 1996 bis April 1997 gewährte Leistung in Höhe von 16.960,00 DM wurde mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 15. Oktober 1997 rückwirkend auf 0 DM festgesetzt und die Leistung nach § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert.
Der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs liegen folgende Ermittlungen zu Grunde:
Auf Grund eines Hinweises, dass vermutlich in das Anwesen in H eingebrochen worden sei, wurde das Anwesen von zwei Beamten der Polizeiinspektion W überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass sich das Anwesen etwas außerhalb der Ortslage befindet. In ihrem Ermittlungsbericht vom 25. April 1997 führten die beiden Polizeibeamten aus, dass die Ermittlungen vor Ort ergeben hätten, dass das Anwesen unbewohnt, an einem Fenster der Rollladen hochgeschoben sei und sich im Anwesen alte, gebrauchte Möbel befänden. Es dürfe, so weiter im Ermittlungsbericht, zweifelsfrei feststehen, dass das Anwesen nicht bewohnt sei. Die Voreigentümerin des Anwesens berichtete den beiden Beamten, dass der Kläger in Portugal lebe und nur höchstens ein- bis zweimal im Jahr nach H käme; er habe - so die Voreigentümerin weiter - vier Kinder, für die er Kindergeld kassiere, obwohl er sich nicht in Deutschland aufhalte.
Auf Grund dieses Hinweises übersandte die Polizeiinspektion W ihren Ermittlungsbericht dem Beklagten, der daraufhin das Verfahren zur Erstattung der Kindergeldleistungen einleitete. Im Zuge dieses Verfahrens wandte sich der Beklagte mit Schreiben vom 30. Mai 1997 an das zuständige Staatssekretariat für soziale Sicherheit in Lissabon/Portugal. Mit Antwortschreiben vom 11. September 1997 teilte das Staatssekretariat für soziale Sicherheit dem Beklagten mit, dass es nicht möglich sei, Beitragszahlungen an die portugiesische Sozialversicherung auf den Namen von Herrn S. D. ausfindig zu machen. Die Ehefrau des Herrn D. habe im Zeitraum von Januar 1989 bis 1996 Beiträge an die portugiesische Sozialversicherung gezahlt, weshalb ihr in Portugal Leistungen der Familienbeihilfe (Kindergeld) zu Gunsten der vier Kinder gewährt worden seien.
Daraufhin hob der Beklagte mit zwei gesonderten Bescheiden vom 15. Oktober 1997 die Gewährung von Kindergeld von Juni 1986 bis Dezember 1995 und vom Januar 1996 bis April 1997 auf, wobei der zuletzt genannte Bescheid Gegenstand dieses Verfahrens ist. Gleichzeitig forderte der Beklagte mit diesem Bescheid gem. § 37 Abs. 2 AO Kindergeld in Höhe von 16.960,00 DM zurück.
Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er sei in H mit erstem Wohnsitz polizeilich gemeldet und unterhalte in W daneben einen gewöhnlichen Aufenthalt, hatte keinen Erfolg. Mit der Klage trug der Kläger vor, er unterhalte seinen Hauptwohnsitz in H und den Nebenwohnsitz in W. Das Anwesen in H sei möbliert und zur Wohnung geeignet; er bewirtschafte den Garten durch Obstbau. Er halte sich regelmäßig dort auf, und zwar mehr als ein- bis zweimal im Jahr. Eine Wohnung i.S. von § 8 AO 1977 hab...