Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Rücknahme von (Individual-)Mehrwegpaletten ist zulässig
Leitsatz (amtlich)
Für die Verpflichtung, bei der Lieferung von Waren verwendete (Individual-)Mehrwegpaletten gegen Zahlung einer bestimmten Vergütung zurückzunehmen, kann der Steuerpflichtige eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative HGB bilden.
Normenkette
EStG §§ 5 Abs. 1 S. 1, 5 Abs. 4a, 5 Abs. 4b S. 1, 6 Abs. 2; HGB § 249 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin für die Verpflichtung zur Rücknahme von Mehrwegpaletten in ihrer Bilanz eine Rückstellung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HBG zu bilden hat.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft mit Geschäftssitz in U. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Gewinnung von Rohstoffen, die Herstellung von Bimsbaustoffen aller Art, der Handel mit Rohstoffen und Baustoffen aller Art sowie die Durchführung aller Rechtsgeschäfte, die diesem Gesellschaftszweck dienlich sind.
Die Klägerin ist - gemeinsam mit anderen Gesellschaften der Bimsindustrie - an der Firma K GmbH (nachfolgend kurz: K GmbH) mit Geschäftssitz in U beteiligt. Deren Unternehmensgegenstand ist die Anbahnung, Vermittlung, Abschluss und Durchführung von Geschäften, die im Zusammenhang stehen mit der Produktion und dem Vertrieb von Baustoff-Erzeugnissen, in der Abwicklung der damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben für die Gesellschafter sowie in der Verwaltung anderer Unternehmen. Die K GmbH fungiert als Vertriebsgesellschaft für die an ihr beteiligten Unternehmen. Die K-Produkte werden von den beteiligten Unternehmen produziert und an die K GmbH verkauft. Diese veräußert die K-Produkte an Baumärkte und private Endkunden, wobei die Lieferungen unmittelbar von dem Werksgelände der beteiligten Unternehmen erfolgen. Die Daten aus den hierbei erstellten Lieferscheinen werden an die K GmbH weitergeleitet und dienen als Grundlage für deren Abrechnungen gegenüber den Kunden. Aufgrund der vorliegenden Daten erfolgen in regelmäßigen Abständen entsprechende Abrechnungen zwischen den beteiligten Unternehmen und der K GmbH.
Seit Beginn des Jahres 2000 werden die K-Produkte weitgehend auf Mehrwegpaletten zum Kunden geliefert. In diesem Zusammenhang wurde ein Palettenrücknahme-System eingeführt, das wie folgt ausgestaltet ist:
Die Klägerin sowie die anderen an der K GmbH beteiligten Unternehmen liefern die K-Produkte auf sog. X-Hubwagenpaletten (Mehrwegpaletten). Die Paletten, welche die Klägerin im Streitjahr 2002 fast ausschließlich aus Polen zu Einkaufspreisen zwischen 4,30 € und 4,50 € bezogen hat, sind durch sog. Blocprinter-Kennzeichnungen individualisiert und können dementsprechend den jeweiligen Gesellschaftern zugeordnet werden. Für jede Lieferung werden pro Palette 9,70 € berechnet, wobei die gelieferten K-Produkte zusätzlich mit einer Schrumpfhaube und einem Stahlband verpackt sind, welche nach der Lieferung entsorgt werden. Die Palette selbst kann der Käufer - sofern sie nicht beschädigt ist - gegen Vergütung eines Betrages i.H. von 8,70 € bei jedem Gesellschafter der K GmbH zurückgeben. Die Differenz zu dem Einkaufspreis i.H. von 1,00 € erklärt sich aus der nicht zurückgegebenen Schrumpfhaube und dem Stahlband.
Im Streitjahr 2002 mussten die Gesellschafter nur so viele Paletten zurücknehmen, wie sie zuvor an den jeweiligen Kunden herausgegeben hatten. Eine Verpflichtung zur Rücknahme von Paletten, die andere Gesellschafter der K GmbH herausgegeben hatten, bestand (noch) nicht. Zur Überprüfung der Rücknahmepflicht führte jeder Gesellschafter (und ab 01. Januar 2002 zusätzlich die K GmbH) für jeden Kunden ein sog. Palettenkonto (vgl. beispielhaft Anlagen K 27 und K 28).
In ihrer - mit der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für 2002 unter dem 02. April 2004 eingereichten - Bilanz zum 31. Dezember 2002 bildete die Klägerin für die "Palettenrücknahme" eine Rückstellung i.H. von 137.800,00 € (vgl. Bl. 25 d. Bilanzakte). Die Rückstellung bemaß sie dabei anhand der zum Bilanzstichtag nicht zurückgebenen Paletten (21.120), einer Rücknahmequote von 75% und eines Rücknahmepreises von 8,70 € (15.840,00 € x 8,70 € = 137.800,00 €; vgl. Bp-Bericht vom 27. April 2007, Seite 8, Bl. 65 d. Bp-Akte). Auf dieser Grundlage ermittelte sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H. von 1.718.230,50 €.
Der Beklagte veranlagte mit Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 11. Mai 2004 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO erklärungsgemäß.
Im Kalenderjahr 2007 fand für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2005 eine steuerliche Außenprüfung statt. Im Prüfungsbericht vom 27. April 2004 gelangte der Prüfer zu der Feststellung, dass die Rückstellung für "Palettenrücknahme" zu Unrecht gebildet worden sei. Zugleich erhöhte er die Gewerbesteuer-Rückstellung um 20.009,00 € (vgl. Tz. 1.9, 1.10 des Pr...