Revision eingelegt (BFH XI R 25/22)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftliche Lieferung bei einem Reihengeschäft
Leitsatz (amtlich)
Zur Verschaffung der Verfügungsmacht in einem Reihengeschäft bei vereinbartem Eigentumsvorbehalt.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 6 S. 5, Abs. 7 S. 2, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 S. 1; UStDV § 17c Abs. 1
Tatbestand
Strittig ist das Vorliegen von innergemeinschaftlichen Lieferungen in einem Reihengeschäft.
Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in X (Deutschland). Sie ist Teil eines in einem EU-Staat ansässigen Bergbaukonzerns. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Förderung und der europaweite Vertrieb von Mineralen/Rohstoffen.
Bis September 2013 erfolgten die Lieferungen der Minerale direkt von der Klägerin an die Abnehmer. Soweit die Minerale an Kunden in anderen EU-Mitgliedstaaten geliefert wurden, erfüllten diese die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1b i.V.m. § 6a UStG und waren als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.
Aufgrund einer konzernweiten Änderung der Vertriebswege wurden in Italien, Polen, Frankreich und Großbritannien Vertriebsgesellschaften gegründet, über die im Zeitraum Oktober 2013 bis Mai 2018 der Verkauf an die dort ansässigen Endkunden erfolgte. Die Minerale wurden dabei unmittelbar von der Produktionsstätte in Deutschland zum Endkunden in den vorgenannten Ländern transportiert. Der Transport erfolgte teilweise im Auftrag der Klägerin (Incoterms CPT, DAP und DDP), in den meisten Fällen wurde der Transport jedoch auf Veranlassung und Risiko des jeweiligen Endkunden durchgeführt (Incoterms EXW, FCA). Alle beteiligten Unternehmer der Lieferketten sind in ihrem Ansässigkeitsstaat registriert und zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin und der Vertriebsgesellschaften, die den hier streitigen Lieferungen zugrunde lagen, sehen einen Eigentumsvorbehalt an den gelieferten Waren vor. Hierzu heißt es unter VII. der AGBs:
1. Wir behalten uns das Eigentum an den gelieferten Waren bis zur vollständigen Bezahlung sämtlicher Forderungen aus der Geschäftsverbindung vor.
2. Die Ver- oder Bearbeitung der Vorbehaltsware durch den Käufer erfolgt stets für uns als Hersteller im Sinne des§ 950 BGB , ohne dass uns hieraus Verpflichtungen entstehen. Die verarbeitete Ware gilt als Vorbehaltsware im Sinne des Absatzes 1. Wird unsere Vorbehaltsware mit anderen, uns nicht gehörenden Waren verarbeitet, bearbeitet, vermengt, vermischt oder verbunden, so steht uns das Miteigentum an der neuen Sache zu, und zwar im Verhältnis des Nettorechnungspreises der Vorbehaltsware zum Nettorechnungspreis der anderen Waren.
3. Der Käufer darf die in unserem Allein- oder Miteigentum stehende Vorbehaltsware im normalen Geschäftsverkehr veräußern oder verbrauchen, solange er mit Zahlungen nicht im Verzug ist; eine Verpfändung, Sicherungsübereignung oder Sicherungszession ist ihm nicht gestattet. Von dritter Seite vorgenommene Pfändungen oder sonstige Zugriffe auf die Vorbehaltsware sind uns unverzüglich anzuzeigen.
4. Der Käufer tritt uns schon jetzt und im Voraus sämtliche Forderungen ab, die ihm aus der Weiterveräußerung der Vorbehaltsware oder dem durch Verarbeitung, Bearbeitung, Vermengung, Vermischung oder Verbindung entstandenen Produkt zustehen. Dies gilt auch dann, wenn die Ware zusammen mit anderen, nicht uns gehörenden Waren zu einem Gesamtpreis veräußert wird. Hat ein Dritter aufgrund gesetzlicher Vorschrift infolge Verarbeitung, Bearbeitung, Vermengung, Vermischung oder Verbindung Eigentum oder Miteigentum an der Ware erlangt, so tritt uns der Käufer die ihm gegenüber dem Dritten erwachsenen Ansprüche ebenfalls bereits jetzt und im Voraus ab. […] Der Käufer ist zur Einziehung der abgetretenen Forderung bis zum jederzeit zulässigen Widerruf ermächtigt.
5. […]
6. Bedarf es zur Wirksamkeit des Eigentumsvorbehalts zusätzlicher Handlungen, etwa einer Registrierung nach dem Recht eines Verbringungslandes, so ist der Käufer hierzu ermächtigt und hat derartige Handlungen vorzunehmen bzw. daran mitzuwirken.
7. Liegen beim Käufer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vor, so hat der Käufer - ohne dass es einer entsprechenden Aufforderung bedarf - bis zur Ausübung des Wahlrechts eines eventuellen Insolvenzverwalters (§ 103 InsO) jede Verfügung über die Vorbehaltsware, gleich welcher Art, zu unterlassen. Der Käufer ist verpflichtet, uns unverzüglich den Bestand der Vorbehaltsware zu melden.
8. Im Falle des Zahlungsverzugs des Käufers sind wir berechtigt, dem Käufer die Verfügung über die Vorbehaltsware vollständig oder nach unserer Wahl auch teilweise z. B. nur die Veräußerung, den Verbrauch oder die Weiterverarbeitung etc. zu untersagen oder die Herausgabe der Vorbehaltsware zu verlangen. Wurde die Vorbehaltsware verarbeitet, bearbeitet, vermengt, vermischt oder mit anderen Waren verbunden, sind wir berechtigt, die Herausgabe an einen Treuhänder zu verlangen […]. Gleiches gilt sinngemäß für Forderungen, die nach den vorstehenden Absätzen an uns abgetreten s...