Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Dem Insolvenzverwalter steht bei einer beantragten Einsicht in die Steuerakten des Insolvenzschuldners lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Finanzbehörde zu.
Normenkette
AO §§ 30, 34 Abs. 3, § 91 Abs. 1, § 364; InsO § 80 Abs. 1, § 155 Abs. 1; FGO § 102 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob und ggf. in welchem Umfang einem Insolvenzverwalter ein Recht auf Einsicht in die beim Finanzamt für den Schuldner geführten Steuerakten zusteht.
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts -Insolvenzgericht- vom 21. Dezember 2004 (vgl. Bl. 3 f. Rb-Akten) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A. S. (im Folgenden: Schuldner) bestellt. Der Schuldner reichte für die Jahre 1998 bis 2002 Steuererklärungen beim Beklagten ein; die entsprechenden Veranlagungsverfahren wurden nach der Erteilung von Steuerbescheiden bestandskräftig abgeschlossen. Für die Veranlagungszeiträume ab dem Jahr 2003 wurden - mit Ausnahme von Umsatzsteuererklärungen betreffend die Masse für die Jahre 2004 und 2005 - keine steuerlichen Erklärungspflichten erfüllt. Unter dem 2. Februar 2005 und 12. Oktober 2006 erließ der Beklagte für die Jahre 2003 und 2004 jeweils Schätzungsbescheide.
Im Januar 2005 beantragte der Kläger beim Beklagten, ihm zum Zwecke der Einsichtnahme die Steuererklärungen des Schuldners seit dem Jahr 1998 auszuhändigen (vgl. Bl. 1 f. Rb-Akten). Zur Begründung führte er aus, dass er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dieselbe Stellung wie der Schuldner besitze. Bei der Frage der Akteneinsicht gehe es darum, „dass der Insolvenzverwalter - ggf. sogar zehn Jahre zurück - alle Sachverhalte erfährt, die möglicherweise geeignet waren, Vermögen des Schuldners an Verwandte zu überstellen“ (vgl. Bl. 14 Rb-Akten). Der Insolvenzverwalter habe auch das Recht, in die Steuererklärungen der Ehefrau des Schuldners Einsicht zu nehmen, weil gerade bei den Beziehungen eines Schuldners zu seiner Ehefrau zu vermuten sei, dass der Schuldner Verfügungen getroffen habe, die unter den besonderen Umständen des Insolvenzrechts dazu berechtigten, Anfechtungsklagen zu erheben.
Mit Schreiben vom 24. März 2005 (vgl. Bl. 16 f. Rb-Akten) teilte der Beklagte dem Kläger mit, nach Durchsicht der Aktenunterlagen ergäben sich folgende Tatsachen, aus denen Anfechtungsmöglichkeiten denkbar seien:
Ab dem Veranlagungszeitraum 2000 habe der Kläger Zinseinkünfte in Höhe von 39.500,00 DM aus der Überlassung eines Darlehens an seine Tochter erklärt. Die Höhe des Darlehensbetrags sei nicht bekannt. Im Jahr 2001 habe der Kläger erstmals ausländische Kapitalerträge (Zinsen Bank „B“, Schweiz) angegeben. Kopien von Kontoauszügen der „B“ seien dazu vorgelegt worden. Diese Unterlagen könnten an Amtsstelle nach vorheriger Terminabsprache eingesehen werden. Es seien auch Unterlagen eingereicht worden, aus denen ersichtlich sei, dass bereits im Oktober 2000 eine Festgeldanlage von 1.000.000,00 € vorgenommen worden sei, die in den Jahren 2001 und 2002 auf 2.483.000,00 € erhöht worden sei. Zudem sei der „B“ am 2. August 2001 ein Scheck über 520.000,00 € zur Neuanlage eines Festgeldkontos (Kontoinhaber: Herr A. S. und/oder Frau H. S.) vorgelegt worden. Die Belastung sei auf einem Konto bei der Sparkasse K (Nr. ...2) erfolgt. Diese Anlage sei bis zum 24. Oktober 2001 auf 785.000,00 € erhöht worden.
Der Kläger erwiderte daraufhin, dass er selbst Einsicht in die steuerlichen Unterlagen nehmen müsse. Er habe als Insolvenzverwalter zu entscheiden, ob einzelne Vorgänge anfechtungsrechtlich oder aus anderen Gründen zu verfolgen seien.
Nachdem der Beklagte weitergehende Auskünfte verweigert hatte, legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass er keine Möglichkeit habe, vom Schuldner Auskünfte über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu erlangen. Der Schuldner sei nach einem amtsärztlichen Attest nicht in der Lage, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Die im Schreiben des Finanzamts vom 24. März 2005 mitgeteilten Möglichkeiten zur Anfechtung habe er rechtshängig gemacht. Die Höhe des Darlehens an die Tochter könne er nur ermitteln, wenn ihm der Schuldner Auskünfte erteile. Über das Schreiben des Finanzamts hinaus habe er keine weiteren Hinweise auf Maßnahmen des Schuldners, die zu einer Massemehrung oder zu einer Anfechtungssituation führen könnten. Dies ändere aber nichts daran, dass gerade Sachverhalte, die in der Steuererklärung ihren Niederschlag gefunden hätten, u.U. zu einem solchen Wissen des Insolvenzverwalters führten. Die Überlassung von Steuerunterlagen sei für die sachgerechte Bearbeitung des Insolvenzv...