Im Jahr 2019 ergingen dann gleich zwei Urteile des EuGH zu finalen Verlusten. In diesen Rechtssachen
- führte der EuGH seine bisherige Rechtsprechungslinie fort und
- konkretisierte zudem den Anwendungsbereich in den betroffenen Fällen.
Er beschäftigte sich hierbei mit Fragen, die unmittelbar auf die Auslegung des Finalitätsbegriffs abzielten.
Mögliche Problemfelder für die Praxis: Zeitgleich ergaben sich hierdurch aber auch erste mögliche Problemfelder für die Praxis, da der EuGH die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Verluste nicht künftig anderweitig durch Übertragung auf einen Dritten genutzt werden können, beim Steuerpflichtigen sah.
a) Rs. Memira Holding (Fusionsfall)
In der Rs. Memira Holding ging es darum, ob eine schwedische Muttergesellschaft berechtigt war, die Verluste einer 100%igen Tochtergesellschaft mit Sitz in Deutschland von ihren Gewinnen in Schweden abzuziehen, wenn
- diese im Wege einer Fusion (Verschmelzung) auf die Muttergesellschaft abgewickelt wird und
- die bis dahin in Deutschland aufgelaufenen Verluste infolge der Fusion (Verschmelzung) untergehen würden.
Sofern die schwedische Muttergesellschaft nachweisen konnte, dass sie die Verluste der Tochtergesellschaft in Deutschland nicht nutzen konnte, war der EuGH der Auffassung, dass sie die ausländischen Verluste grundsätzlich in Schweden abziehen könne. Dabei sei ausdrücklich nicht entscheidend, dass das deutsche Recht die Übertragung von Verlusten aufgrund eines Umwandlungsvorgangs – hier einer Verschmelzung – ausschließt.
b) Rs. Holmen (Liquidationsfall)
Die Rs. Holmen betraf die Frage, ob eine schwedische Muttergesellschaft berechtigt ist, die Verluste ihrer (indirekt) zu 100 % gehaltenen spanischen Enkelgesellschaft zum Abzug zu bringen, wenn
- diese abgewickelt wird und
- ihre Verluste in Spanien nicht vollumfänglich nutzen kann.
Als alternative Fallkonstellation war in derselben Rechtssache zu klären, ob die Verluste der Enkelgesellschaft durch Verschmelzung der ebenfalls steuerlich in Spanien ansässigen zwischengeschalteten spanischen Tochtergesellschaft auf die Enkelgesellschaft mit deren anschließender Abwicklung genutzt werden können.
Der EuGH entschied, dass finale Verluste, die bei einer indirekt gehaltenen Tochtergesellschaft (Enkelgesellschaft) entstehen, bei der Muttergesellschaft grundsätzlich nicht abzugsfähig seien. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn alle Gesellschaften, die zwischen Muttergesellschaft und verlustbringende Enkelgesellschaft geschaltet sind, ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat wie die verlustbringende Enkelgesellschaft haben.
Wann sind Verluste final? Für das Vorliegen finaler Verluste sei auch hier nicht entscheidend, ob das Recht des Sitzstaates der Tochtergesellschaft eine Übertragung von Verlusten im Jahr der Liquidation grundsätzlich zulässt. In einer solchen Fallgestaltung seien Verluste allerdings ebenfalls nicht als final anzusehen, wenn weiterhin eine Möglichkeit besteht, die Verluste wirtschaftlich zu nutzen, z.B. indem sie auf Dritte übertragen werden können. Beachten Sie: Insofern sei vom Steuerpflichtigen der Gegenbeweis zu erbringen, um
- von finalen Verlusten auszugehen und
- diese entsprechend abziehen zu können.
c) Ein damaliges Zwischenfazit
Ein Unterschied der beiden Rs. zu bisherigen Vorlagen bei finalen Verlusten war, dass die Fragen sich unmittelbar auf die Auslegung des Finalitätsbegriffs bezogen. Die Entscheidungskompetenz hierüber war bisher an die nationalen Gerichte zurückverwiesen worden.
Dem EuGH zufolge ist eine nationale Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn sie
- bei Fusion einer gebietsfremden Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft den Abzug von Verlusten der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft ausschließt,
- während eine solche Möglichkeit im reinen Inlandsfall gegeben ist (Rs. Memira Holding).
Für eine Unionsrechtskonformität müsse es der Muttergesellschaft zwecks Gewährung des Verlustabzugs möglich sein, nachzuweisen,
- dass die gebietsfremde Tochtergesellschaft die Möglichkeiten der Berücksichtigung ihrer Verluste vollends ausgeschöpft hat und
- dass die Verluste von dieser oder Dritten in künftigen Zeiträumen ebenfalls nicht genutzt werden können.
Zudem wurde der grenzüberschreitende Konzernabzug nun insoweit erweitert, als eine Verlustübertragung von der ausländischen Enkelgesellschaft auf die inländische Muttergesellschaft möglich ist, wenn die zwischengeschalteten Gesellschaften in demselben Staat ansässig sind wie die ausländische Enkelgesellschaft (Rs. Holmen).
Allerdings hat der EuGH eine weitere praktische Grenze bestätigt – und zwar bei der Darlegungs- und Beweislast:
- sowohl in Fällen der Fusion
- als auch der Liquidation
muss die verlustabsorbierende Muttergesellschaft nachweisen, dass die Verluste nicht künftig anderweitig durch Übertragung auf einen Dritten genutzt werden können.
Beachten Sie: Insgesa...