Leitsatz
Erträge aus so genannte Finanzinnovationen, die nicht über eine Emissionsrendite verfügen, unterliegen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG seit der Änderung dieser Vorschrift mit Gesetz vom 20.12.2001 (Versorgungsänderungsgesetz 2001) der Einkommensteuer. Diese Änderung gilt (rückwirkend) für alle Veranlagungszeiträume auch vor 2001, soweit die Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Das FG Münster entschied, dass in dieser zeitlichen Anwendungsregel keine verfassungswidrige Rückwirkung der Gesetzesänderung zu sehen ist.
Sachverhalt
Der Kläger hatte 1992 13 DAX-Zertifikate im Zweithandel erworben, die eine Rückzahlung in Höhe des in D-Mark ausgedrückten DAX-Stands am 14.3.1997 vorsahen. Bei Unterschreiten eines bestimmten Mindestbetrags war allerdings die Zahlung dieses Mindestbetrags vorgesehen. Das Finanzamt behandelte die Differenz zwischen dem letztlich ausgezahlten Einlösungsbetrag und dem Einstandspreis als Kapitalertrag nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4c EStG. Der Kapitalertrag wurde somit nach der Marktrendite ermittelt.
Der Kläger wand sich zunächst generell gegen einen Ansatz als Kapitalertrag, weil ihm als Zweiterwerber die Garantierückzahlung nicht bekannt war. Für ihn war somit weder eine Kapitalrückzahlung noch ein laufender Ertrag während der Besitzzeit gesichert, sodass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht erfüllt gewesen sein sollten. Nachträglich wurde die Klage aber darauf beschränkt, dass eine Ermittlung eines Kapitalertrags nach der Marktrendite erst nach der Gesetzesänderung im Jahr 2001 zulässig und in der Anwendung dieser Vorschrift auf das Jahr 1997 eine verfassungswidrige Rückwirkung der Gesetzesänderung zu sehen sei. Das FG sah in der in § 52 Abs. 37b EStG geregelten Anwendung der geänderten Vorschrift auf alle noch offenen Fälle keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
Entscheidung
Erträge aus der zeitlich befristeten Kapitalüberlassung sind nur dann nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, wenn entweder die Rückzahlung des Kapitals oder ein Entgelt für die Kapitalüberlassung zugesagt ist. DAX-Zertifikate in der Standardausstattung fallen grundsätzlich nicht hierunter, weil durch die Abhängigkeit vom DAX-Stand die Kapitalrückzahlung nicht gesichert ist, auch wenn ein Totalausfall relativ unwahrscheinlich erscheint. Ein laufendes Entgelt wird ohnehin nicht zugesagt. Anders ist es bei solchen Zertifikaten mit garantierter Mindestrückzahlung. Hier ist das Tatbestandsmerkmal "Rückzahlung des Kapitals" erfüllt, auch wenn es nicht zur vollständigen Rückzahlung des eingesetzten Kapitals kommen sollte. Die Kenntnis des Zertifikat-Käufers von dieser Garantieleistung ist nicht von Bedeutung. Es kommt insoweit lediglich auf den objektiven Tatbestand an.
DAX-Zertifikate dieser Art führen zu einem Kapitalertrag, dessen Höhe von einem ungewissen Ereignis (DAX-Stand bei Fälligkeit) abhängig ist. Erträge aus einem solchen Zertifikat fallen somit unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4c EStG. Da dem Inhaber eines solchen Zertifikats kein sicherer Ertrag für die gesamte Laufzeit zugesagt wird, verfügen sie nicht über eine Emissionsrendite. Der BFH hat zwar mit Urteil vom 24.10.2000 (BStBl II 2001 S. 97) die Auffassung vertreten, Wertpapiere ohne eine Emissionsrendite fielen nicht unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4c und d EStG. Diese Auffassung ist jedoch durch die Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG seit 2001 überholt. Danach kann in diesen Fällen der Kapitalertrag auch nach der so genannten Marktrendite berechnet werden.
Die rückwirkende Anwendung dieser geänderten Vorschrift verstößt nach Auffassung des FG nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Der Gesetzgeber habe nicht in rechtsstaatlich unzulässiger Weise rückwirkend in bereits abgeschlossene Lebenssachverhalte eingegriffen und nicht das schutzwürdige Vertrauen der beteiligten Steuerpflichtigen verletzt. Der Bürger genieße bei belastenden Gesetzesänderungen zwar grundsätzlich Vertrauensschutz. Der Bürger könne jedoch dann nicht auf das geltende Recht vertrauen, wenn es unklar und verworren ist. In solchen Fällen sei es dem Gesetzgeber erlaubt, die Rechtslage rückwirkend zu klären. Außerdem sei das Vertrauen auf das Weiterbestehen der Rechtsnorm auch dann nicht schutzwürdig, wenn der Bürge nach der rechtlichen Lage in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der nachteiligen Rechtsfolge zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste.
Die sei hier der Fall. Bereits aus der Gesetzesbegründung zum StMBG vom 21.12.1993 gehe hervor, dass der Gesetzgeber ausdrücklich auch Wertpapieranlagen in der hier strittigen Form in die Besteuerung einbeziehen wollte. Erst durch das von der Finanzverwaltung nicht über den entschiedenen Fall hinaus angewandte BFH-Urteil vom 24.10.2000 habe sich die dort bereits niedergelegte Rechtsanwendung geändert. Durch die erneute Gesetzesänderung im Jahr 2001 habe daraufhin der Gesetzgeber lediglich seinen Willen, auch die im Kurs der genann...