1.1 Klassifizierung finanzieller Vermögenswerte
Als finanzielle Vermögenswerte werden nachfolgend behandelt:
- Anteile an anderen Unternehmen,
- langfristige Darlehen, Ausleihungen, Anleihen,
- kurzfristige Forderungen inkl. Debitoren,
- sonstige finanzielle Vermögenswerte, wie z. B. stille Beteiligungen,
- Finanzderivate.
In der Behandlung des Finanzvermögens bestehen sehr grundlegende Unterschiede gegenüber dem Handelsrecht.
Für die handelsrechtliche Bewertung von Finanzvermögen gilt:
- Sie unterliegt mit Ausnahmen bei Banken (§ 340e Abs. 3 HGB) und bestimmten Pensionsplänen (§ 253 Abs. 1 Satz 4 HGB) dem Anschaffungskostenprinzip unter Beachtung des Niederstwertprinzips.
- Die bewertungsrelevante Klassifizierungsproblematik beschränkt sich praktisch auf den kleinen Bereich der Wertpapiere, bei denen klärungsbedürftig sein kann, ob Anlagevermögen (gemildertes Niederstwertprinzip) oder Umlaufvermögen (strenges Niederstwertprinzip) vorliegt.
- Alle anderen Klassifizierungsfragen haben in der Praxis kaum Bewertungsrelevanz, sondern betreffen nur den Ausweis.
Das IFRS-System ist demgegenüber
- durch unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe (amortisierte Anschaffungskosten vs. fair value) gekennzeichnet,
- wobei die Differenzierung in der Bewertung nicht nur nach subjektivem Verwendungszweck und Fristigkeit erfolgt,
- sondern auch nach objektiver Art des Vermögenswerts, mit der Folge, dass etwa Aktien unabhängig von der Dauer der Halteabsicht im Allgemeinen zum fair value zu bewerten sind.
Diese differenzierte Handhabung spiegelt sich auch in der Unterschiedlichkeit und Vielzahl der Regelungsquellen wider. Die Behandlung des Finanzvermögens ist geregelt:
- für die einzelbilanzielle Behandlung von Beteiligungen an Tochterunternehmen, für assoziierte Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen in IAS 27.10 sowie für eventuelle außerplanmäßige Abschreibungen auf solche Beteiligungen in IAS 36,
- für Sonderfälle (z. B. Forderungen aus Leasingverträgen gemäß IFRS 16, Planvermögen zur Rückdeckung von Pensionsverpflichtungen gemäß IAS 19 und Forderungen aus Versicherungsverträgen gemäß IFRS 17) in den spezifischen Standards,
- für das übrige Finanzvermögen in IFRS 9 mit überlappender Unterscheidung einerseits nach objektiver Art des Finanzinstruments (fixierte Zins- und Tilgungszahlungen vs. sonstige Finanzinstrumente) und andererseits nach subjektivem Verwendungszweck (IFRS 9.4.1 ff.).
In einem wichtigen Punkt hat das HGB zu den IFRS "aufgeholt". Durch § 254 HGB i. d. F. BilMoG ist die Behandlung von Sicherungszusammenhängen erstmals gesetzlich geregelt, und zwar in wesentlichen Teilen mit dem gleichen Inhalt wie IAS 39, dessen Regelungen auch bei ansonsten gebotener Anwendung des Nachfolgestandards IFRS 9 (seit 2018) weiter angewandt werden dürfen (IFRS 9.7.2.21).
Beispiel
Ein deutscher Autohersteller wird im ersten Quartal des Folgejahres ca. 50.000 Pkw zu je ca. 20 TUSD in den USA verkaufen und einen voraussichtlichen Erlös von 1 Mrd. USD erzielen. Ein Unternehmen sichert noch im Herbst des alten Jahres geplante Rohstoffbezüge des ersten Quartals des Folgejahres in Höhe von 100 Mio. USD durch Dollar-Terminkäufe zu einem Kurs von 1,10 EUR/USD ab. Zum Bilanzstichtag beträgt der Terminkurs für Dollarverkäufe mit gleichem Fälligkeitsdatum 1 EUR.
Aus dem Dollar-Terminkauf "droht" zum Stichtag ein Verlust von 10 Mio. EUR. Nach h. M. vor dem BilMoG konnte der Zusammenhang zwischen den Termingeschäften und den erwarteten (antizipierten) Cashflows des Folgejahres (Grundgeschäfte) im HGB-Abschluss keine Berücksichtigung finden. Eine Drohverlustrückstellung war aufwandswirksam zu bilden.
Nach § 254 HGB i. d. F. BilMoG ist der drohende Verlust aus dem Termingeschäft nicht anzusetzen. Die GuV wird nicht mit Aufwand belastet.
Nach IAS 39 ist der "drohende" Verlust aus dem Terminkauf passivisch zum Bilanzstichtag zu erfassen. Die Gegenbuchung erfolgt jedoch erfolgsneutral im Eigenkapital, die GuV wird nicht angesprochen. Die Erfolgswirksamkeit tritt in der Folgeperiode ein, d. h. zu dem Zeitpunkt, zu dem die gesicherten Geschäfte selbst erfolgswirksam werden. Würde kein Sicherungszusammenhang bestehen, sondern wäre das Termingeschäft lediglich spekulativ abgeschlossen worden, wäre es noch im alten Jahr erfolgswirksam zu buchen.
1.2 Ausweis
Das Finanzvermögen bereitet auf der Ebene der Bilanz selbst keine besonderen Ausweisprobleme.
- Finanzanlagen: Die Position Finanzanlagen wird in der IFRS-Praxis entweder gar nicht oder, wie von IAS 1.54 verlangt, lediglich in equity-Beteiligungen einerseits und übrige Finanzanlagen andererseits unterteilt.
- Kurzfristige Forderungen: Im Umlaufvermögen ist die Bildung von separaten Posten für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen einerseits und übrige Forderungen und finanzielle Vermögenswerte andererseits üblich.
- Kurzfristig gehaltene Wertpapiere des Umlaufvermögens werden entweder mit in der Unterposition "Übrige Forderungen und Vermögenswerte" erfasst oder bei wesentlichen Beträgen als dritter Posten des Finanz-Umlaufvermögens aufgeführt.
Die relevanten Erläuterungen und Untergliederungen de...