5.3.1 Abgrenzung Finanzderivate von Warentermingeschäften
Die Behandlung normaler, das operative Geschäft (von Nichtbanken) betreffende schwebender Verträge unterliegt nach IAS 37 dem Imparitätsprinzip: drohende Verluste sind zu passivieren, erwartete Gewinne aber nicht zu aktivieren. Schwebende Geschäfte über Finanzvermögen und Finanzverbindlichkeiten (Finanzderivate) werden hingegen paritätisch bewertet: erwartete Gewinne (positiver fair value) sind zu aktivieren, drohende Verluste (negativer fair value) zu passivieren.
Angesichts der Unterschiedlichkeit der Regelungen ist die Abgrenzung zwischen "operativen Derivaten" und Finanzderivaten von Bedeutung.
Beispiel
U erwirbt im Oktober 01 außerbörslich zehn Einkaufskontrakte über je 40.000 lbs. (= je 18,2 Tonnen) Schweinebäuche (Frozen Pork Bellies), lieferbar Ende Februar 02. Als Terminpreis sind 60 cts/lb. vereinbart.
Ein Verzicht auf physische Lieferung ist möglich und muss fünf Tage vor Termin erklärt werden. In einem solchen Fall wird zum Termin die Differenz von dann geltendem Tageskurs und vereinbartem Terminkurs gezahlt.
Zum Bilanzstichtag 01 sind aufgrund zahlreicher Vogelpest- und BSE-Fälle die Preise für Schweinebäuche auf 100 cts/lb. gestiegen. U erwartet aus dem Kontrakt daher einen Gewinn von 10 × 40.000 × 0,40 EUR = 160.000 EUR.
Ob U den erwarteten Gewinn aktivieren darf, hängt u. a. von seinem Gewerbe ab. Es kommt darauf an, ob U (Groß-)Metzger oder nur ein Spekulant ist.
- Ist Ziel (und in der Vergangenheit geübte Praxis) die physische Lieferung, handelt U operativ. Es gelten die Imparitätsregeln von IAS 37. Gewinne aus schwebenden Geschäften sind nicht aktivierungsfähig.
- Handelt U hingegen spekulativ, weil er gar keinen Bedarf für die Schweinebäuche hat, ist der Kontrakt als Finanzderivat zu qualifizieren (IAS 32.8). Der erwartete Gewinn (positiver fair value) ist zu aktivieren.
Abb. 5 fasst die Problematik der ungleichen Behandlung und damit die Abgrenzungsnotwendigkeit von operativen Derivaten und Finanzderivaten zusammen.
Abb. 5: Warentermingeschäfte
5.3.2 Eingebettete Derivate
Von selbstständigen Derivaten (free standing derivatives) sind eingebettete Derivate zu unterscheiden, die Bestandteil sog. hybrider oder strukturierter Finanzinstrumente/Produkte sind. Ein klassisches Beispiel sind Wandelschuldverschreibungen. In das Schuldinstrument (Schuldverschreibung) ist das Recht zur Umwandlung in ein Eigenkapitalinstrument (Aktie) eingebettet. Nach IAS 39 waren derartige Derivate unter folgenden kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen getrennt vom Basisvertrag zu erfassen und zu bewerten:
- Sie unterliegen andersartigen Risiken als der Basisvertrag und
- das gesamte Finanzinstrument wird nicht erfolgswirksam zum fair value erfasst.
Nach IFRS 9.4.3.2 ist aus Sicht des Inhabers des strukturierten Produkts in der Regel keine Trennung in Derivat und Grundvertrag mehr nötig. Das eingebettete Derivat führt vielmehr dazu, dass das Finanzinstrument nicht nur feste Zins- und Tilgungszahlungen bringt und daher erfolgswirksam zum fair value zu bewerten ist. Auch im Anwendungsbereich von IFRS 9 bleibt die Frage der Separierung eingebetteter Derivate aber in zwei Fällen von Bedeutung; zum einen bei finanziellen Verbindlichkeiten, zum anderen bei Grundverträgen, die gar nicht IFRS 9 unterliegen (z. B. Leasingverträge).
So wie im Fall eingebetteter Derivate ein einheitlicher Vertrag wirtschaftlich in ein Basisinstrument und ein Derivat aufgesplittet werden kann, ist umgekehrt die Zusammenfassung getrennter Verträge zu einem synthetischen Instrument wirtschaftlich denkbar. IAS 39 und IFRS 9 erlauben eine solche Synthetisierung jedoch nicht.
Beispiel
Unternehmen A erwirbt Anfang 01 eine variable Anleihe fünfjähriger Laufzeit. Der Zinssatz der Anleihe ist Referenzzins plus 2 %. Zur gleichen Zeit schließt das Unternehmen mit der Bank B einen Fünf-Jahres-Zinsswap-Vertrag, dem zufolge das Unternehmen Referenzzins plus 2 % an die Bank zu zahlen hat und von der Bank im Gegenzug einen Festzins von 5 % erhält. Der Referenzzins beträgt bis zum vorletzten Zinszahlungstermin des Jahres 02 3,5 % und sinkt dann auf 2,5 %. Das Unternehmen hat die positive Absicht und Fähigkeit, die Anleihe bis zur Fälligkeit zu halten. Bilanziell betrachtet es die Kombination von variabler Anleihe und Zinsswap als eine synthetische Festzinsanleihe mit einem Zinssatz von 5 %. Es beabsichtigt demgemäß, nur die Anleihe zu Kosten zu bilanzieren und das Derivat nicht zu berücksichtigen.
Eine synthetische Betrachtung wäre angesichts der Unterschiedlichkeit der Vertragspartner unangemessen. Jeder der beiden Verträge hat seine eigenen Bedingungen und Konditionen und kann separat veräußert oder beglichen werden. Demgemäß sind die beiden Verträge auch getrennt zu klassifizieren. Die beabsichtigte bilanzielle Handhabung ist deshalb unzulässig. Das Grundgeschäft wird zu (amortisierten) Kosten angesetzt. Der Zinsswap-Vertrag kann als ein cash flow hedge interpretiert werden. Er sichert die zukünftigen cash inflows aus den Zinszahlungen gegen Änderungen des Referenzzinssatzes ab. Unter Vernachlässigung d...