[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, Hannover
Ausgehend von der aktuellen Judikatur des BFH u.a. zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens i.S.d. § 6a GrEStG in mehrstufigen Beteiligungsketten hat die Finanzverwaltung neue Anwendungserlasse zur Anwendung der Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern nach § 6a GrEStG konzipiert. Der nachfolgende Beitrag gibt daher einen Einblick in ausgewählte Einzelaspekte zur praktischen Anwendung.
I. Hintergrund
Der Deutsche Bundestag hat bereits festgestellt, dass in- und ausländische Investoren – wie z.B. Banken, Versicherungen oder Fonds – beim Erwerb von Immobilien in immer stärkerem Maß Share Deals genutzt haben, um anfallende Grunderwerbsteuer zu verringern oder sogar zu vermeiden. Bei einem Share Deal erwirbt der Erwerber insoweit nicht die Immobilie selbst, sondern kauft die Mehrheit der Anteile an dem Unternehmen (Share Deal), das seinerseits die Immobilie hält. Aus Sicht des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Steuergerechtigkeit haben Share Deals bisher zu dem grotesken Zustand geführt, dass große Immobilienkonzerne kaum Grunderwerbsteuer zahlten, während private Häuslebauer und Wohnungskäufer in vollem Umfang zur Kasse gebeten wurden. Share Deals sind ferner ein beliebtes Mittel großer Wohnungskonzerne (wie z.B. Deutsche Wohnen und Vonovia), um neben der Grunderwerbsteuer auch andere eigentumsrechtliche und stadtplanerische Regulierungen im Zusammenhang mit Immobilienverkäufen zu umgehen, z.B. kommunale Vorkaufsrechte. Nach Schätzungen beliefen sich bundesweit die Steuerausfälle durch Share Deals bisher auf rund 1 Mrd. EUR pro Jahr. Daher war es dringend geboten, Share Deals als Steuervermeidungsinstrument auszubremsen (s. hierzu bereits Rennar, GStB 2023, 143), indem Beteiligungsschwellen gesenkt und ausdifferenziert sowie (Halte-)Fristen gesetzgeberisch verlängert wurden (vgl. BT-Drucks. 19/10067).
Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.2021 (BGBl. I 2021, 986) wurde sodann neben der Änderung des § 1 Abs. 2a GrEStG sowie der Neueinfügung eines Abs. 2b in § 1 GrEStG der Anwendungsbereich der Steuervergünstigung in § 6a GrEStG um diesen neuen Erwerbsvorgang m.W.z. 1.7.2021 erweitert. Der Kreis der an einem nach § 6a GrEStG begünstigungsfähigen Erwerbsvorgang beteiligten Rechtsträger ist hierbei beschränkt auf das herrschende Unternehmen und/oder von diesem, abhängige Gesellschaften. Die beteiligten Rechtsträger behalten hierbei ihre Eigenschaft als eigenständige Rechtsträger bei (zur Grundstückszurechnung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, s.a. Rennar, ErbStB 2022, 371).
Blick in die Statistik: Steuereinnahmen aus der GrESt in Deutschland im Zeitverlauf (in Mrd. EUR)
Quelle: Statista
II. Ausgewählte Einzelaspekte der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung (vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlass v. 25.5.2023 – S 4518, ErbStB 2023, 211 [Günther]) hat sich vor dem Hintergrund aktueller Judikatur des BFH mit der Steuervergünstigung bei Umstrukturierung im Konzern nach § 6a GrEStG beschäftigt und den bisherigen Anwendungserlass vereinzelt geändert:
1. Begünstigte Umwandlungsvorgänge
Nach § 6a Satz 1 Halbs. 1 GrEStG wird für einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2a Satz 1, Abs. 2b Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 und Abs. 3a GrEStG aufgrund einer Umwandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG die Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Die Begünstigung erfasst die verwirklichten steuerbaren Erwerbsvorgänge sowie die aufgrund einer derartigen Umwandlung übergehende Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG.
Als begünstigte Umwandlungen gelten hierbei:
Die Vorschrift erfasst somit u.a. die Fälle, dass
- eine abhängige Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen verschmolzen wird (vgl. BFH v. 21.8.2019 – II R 20/19 (II R 53/15), BStBl. II 2020, 341 = GmbH-StB 2023, 11 [Ch. Böing/Groll]; BFH v. 22.8.2019 – II R 18/19 (II R 62/14), BStBl. II 2020, 352 = ErbStB 2020, 149 [E. Böing]),
- eine abhängige Gesellschaft auf eine natürliche Person als herrschendes Unternehmen verschmolzen wird (BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329) und dass
- eine abhängige Gesellschaft durch Ausgliederung aus dem herrschenden Unternehmen neu entsteht (BFH v. 21.8.2019 – II R 16/19 (II R 36/14), BStBl. II 2020, 333).
Die Regelung des § 6a Satz 1 GrEStG begünstigt insoweit alle dort genannten Umwandlungsvorgänge gleichermaßen. Es erfolgt keine Differenzierung, in welche Richtung, ob horizontal auf eine Schwestergesellschaft (sog. Sidestream-Merger) oder ob vertikal auf die Muttergesellschaft (sog. Upstream-Merger), eine Gesellschaft verschmolzen wird (BFH v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), BStBl. II 2020, 329). Auch die Umwandlung der Muttergesellschaft auf eine Tochtergesellschaft (sog. Downstream-Merger) wird begünstigt.
Beraterhinweis Darüber hinaus sind Umwandlungen i.S.d. § 1 Abs. 2 UmwG begünstigt, wenn sie durch ...