Rz. 312
Stirbt der Gesellschafter einer Personengesellschaft und wird die Gesellschaft nicht aufgelöst (im Falle der Auflösung ist der Anteil an der Liquidationsgesellschaft Erwerbs- und Bewertungsgegenstand), sondern mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt (Fortsetzungsklausel), wächst der Anteil des Erblassers nach § 738 Abs. 1 S. 1 BGB, § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB den verbleibenden Gesellschaftern zu; den Erben steht gem. § 738 Abs. 1 S. 2 BGB ein Abfindungsanspruch zu, der erbschaftsteuerlich als Erwerb anzusehen und nach den Regeln der § 12 Abs. 1 ErbStG, § 12 BewG für Kapitalforderungen zu bewerten ist.
Rz. 313
Wird die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt (sog. einfache Nachfolgeklausel), geht der Anteil unmittelbar auf die einzelnen Erben im Wege der Sondererbfolge im Verhältnis ihrer Erbquote über; der dem jeweiligen Erben im Wege einer partiellen Vorwegnahme der Nachlassteilung anfallende Gesellschaftsanteil stellt erbschaftsteuerlich den Erwerb dar und ist dementsprechend nach den Regeln für Betriebsvermögen zu bewerten.
Rz. 314
Wird die Gesellschaft mit einzelnen Erben fortgesetzt (sog. qualifizierte Nachfolgeklausel), geht der Anteil unmittelbar auf diese einzelnen Erben im Wege der Sondererbfolge über. Erbschaftsteuerrechtlich liegt hierin eine Teilungsanordnung; der übergehende Anteil wird allen Erben im Verhältnis ihrer Erbquote zugerechnet, Erwerbs- und Bewertungsgegenstand ist der zufallende Gesellschaftsanteil.
Rz. 315
§ 10 Abs. 10 ErbStG betrifft Sachverhalte mit Nachfolgeklausel. Erwerbs- und Bewertungsgegenstand wäre danach jeweils der Gesellschaftsanteil. Daran würde sich wegen des Stichtagsprinzip (§§ 9, 11 ErbStG) auch nichts ändern, wenn der Erbe nach dem Erwerb seinen Anteil aufgrund einer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestehenden Regelung im Gesellschaftsvertrag auf die Mitgesellschafter überträgt (qualifizierte negative Nachfolgeklausel oder Einziehungsklausel). Da das Ausscheiden aufgrund der Regelung im Gesellschaftsvertrag den Voraussetzungen nach feststeht, ist ein auflösend bedingter Erwerb hinsichtlich des Gesellschaftsanteils und ein aufschiebend bedingter Erwerb des Abfindungsanspruchs anzunehmen. § 10 Abs. 10 ErbStG vermeidet also die sich aus § 4 BewG und § 5 BewG ergebenden zeitlichen und verfahrensrechtlichen Konsequenzen, durchbricht das Stichtagsprinzip und ordnet an, dass in diesem Fall Erwerbs- und Bewertungsgegenstand – wie bei der Fortsetzungsklausel – der Abfindungsanspruch ist. Seine Bewertung als Kapitalforderung erfolgt gem. § 12 Abs. 1 ErbStG, § 12 BewG.
Rz. 316
Die gilt allerdings nur unter engen Voraussetzungen:
- Persönlich begünstigt ist nur der Erbe, nicht etwa der Vermächtnisnehmer;
- es muss sich um einen Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft handeln, der von Todes wegen übergegangen ist;
- der Erbe muss den Anteil auf einen Mitgesellschafter übertragen; Dritte scheiden also aus;
- die Übertragung muss aufgrund einer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestehenden Regelung im Gesellschaftsvertrag erfolgen;
- der Anteilswert zum Bewertungsstichtag muss höher sein als der gesellschaftsvertraglich festgelegte Abfindungsanspruch;
- die Übertragung muss unverzüglich nach Erwerb erfolgen.
Rz. 317
Wann eine solche Übertragung unverzüglich ist, also ohne schuldhaftes Zögern erfolgt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Rz. 318
Nach der Gesetzesfassung kommt es für den Vergleich zwischen Anteilswert und Abfindung allein auf die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Abfindung an. Ob die Abfindung tatsächlich gezahlt wird und in welcher Höhe, spielt keine Rolle. Sollte dem ausscheidenden Erben allerdings in einem Zivilrechtsstreit eine höhere Abfindung zugesprochen werden, ist zu erwägen, diese der Berechnung zugrunde zu legen.
Rz. 319
Die in solchen Fällen eintretende Bereicherung der Mitgesellschafter gilt als Schenkung unter Lebenden i. S. d. § 7 Abs. 7 ErbStG. Damit wird letztendlich der gemeine Wert des Anteils insgesamt der Besteuerung unterworfen.