Rz. 140
Zivilrechtlich liegen Erblasserschulden auch bei den mit oder nach dem Erbfall entstehenden Verpflichtungen vor, sofern ihr Verpflichtungsgrund in der Person des Erblassers gegeben war. Die Abzugsfähigkeit derartiger Verbindlichkeiten i. R. d. § 10 Abs. 5 ErbStG folgt nicht strikt dem Zivilrecht, sondern nur unter Berücksichtigung des Stichtagsprinzips (§§ 9, 11 ErbStG). Sowohl zivilrechtlich als auch im Zusammenhang des § 10 Abs. 5 ErbStG setzt eine Nachlassverbindlichkeit in jedem Fall voraus, dass die jeweilige Schuld als Schuld des Erblassers entstanden ist. Im Einzelnen ergibt sich bezüglich der Abzugsfähigkeit folgendes Bild:
Rz. 141
Bei Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen (z. B. bei Miet- oder Pachtverträgen), die der Erblasser eingegangen war und dessen Tod überdauern, ist für die Zeit bis zur frühestmöglichen Kündigungsmöglichkeit durch den Erben eine Abzugsfähigkeit aus § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gegeben.
Rz. 142
Eine bei dem Erben realisierte latente Ertragsteuerbelastung des Nachlassvermögens ist nicht abzugsfähig. Begründet wird dies mit dem Stichtagsprinzip und dem Umstand, dass sich die spätere Einkommensteuerschuld des Erben dem Grunde nach und in der Höhe nach den für ihn geltenden Merkmalen – und denen des Erblassers – bemisst. Die bei der Vererbung von Zinsansprüchen eintretende kumulative Belastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Der Einkommensteuertatbestand wird bei den latenten Ertragsteuern erst nach dem erbschaftsteuerrechtlich maßgebenden Stichtag (§ 11 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) in der Person des Erben verwirklicht (§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG). Dementsprechend rechnen § 24 Nr. 2 EStG u. a. Einkünfte aus einem früheren Rechtsverhältnis i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG mit rechtsbegründender Wirkung dem Erben zu, wenn sie ihm als Rechtsnachfolger zufließen. Bei der hieraus erwachsenden Einkommensteuerschuld handelt es sich mithin nicht um eine Steuerschuld des Erblassers, sondern um eine des Erben. Die sich daraus ergebenden einkommensteuerlichen Härten für den Erben werden durch § 35 b EStG gemildert. Die beim Erbfall (latent) auf der Zinsforderung ruhende Einkommensteuerlast des Erben ist auch nicht über die in § 10 Abs. 5 ErbStG geregelten Fälle hinaus als Nachlassverbindlichkeit abziehbar, denn Erbschaftsteuer und Einkommensteuer greifen auf verschiedene Steuerobjekte zu und folgen dabei ihrer jeweiligen Sachgesetzlichkeit. Ein entsprechender (historischer) Wille des Gesetzgebers ist nicht erkennbar. § 6 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 BewG ermöglicht ebenfalls keinen nachträglichen Abzug der Einkommensteuerschuld des Erben. Die Regelung enthält keinen den § 10 Abs. 5 ErbStG ergänzenden, weiteren Abzugstatbestand.
Rz. 143
Die Frage einer abzugsfähigen Erblasserschuld stellt sich besonders häufig, wenn zum Nachlass ein Grundstück oder Gebäude gehört. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind die mit dem Grundvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig. Auf Nachlassgrundstücken ruhende Grundschulden oder Hypotheken sind nur dann abzugsfähig, wenn und soweit sie valutieren und vom Erblasser als Schuldner herrühren. Ist dagegen mit der Grundschuld oder der Hypothek keine Pflicht des Erwerbers auf Zahlung der diesen Grundpfandrechten zugrunde liegenden Darlehensschulden verbunden, stellen diese Grundpfandrechte aufschiebend bedingte Lasten i. S. d. § 6 Abs. 1 BewG dar. Der Erwerber ist erst dann belastet, wenn der Darlehensschuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt und der Darlehensgläubiger seinen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 1192, 1147 BGB geltend macht. Nicht berücksichtigungsfähig sind Grundpfandrechte auch dann, wenn der Erwerber bereits vor dem Erbfall aus einem anderen Rechtsgrund Schuldner der mit dem Grundpfandrecht besicherten Forderung ist.
Rz. 144
Keine Erblasserschuld ergibt sich aus Wertminderungen eines Gebäudes aufgrund aufgestauten Reparaturbedarfs; dieser Umstand ist im Rahmen der Grundbesitzbewertung zu erfassen. Etwas anderes gilt aber, wenn schon zu Lebzeiten des Erblassers eine privatrechtliche Verpflichtung zur Mängelbeseitigung (z. B. gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB gegenüber dem Mieter) bestand. Dies gilt nicht nur für Mängel, die bereits im Zeitpunkt des Erbfalls erkennbar waren, sondern ebenso auch für solche, deren Ursache noch vom Erblasser gesetzt worden ist, aber erst nach dessen Tod in Erscheinung getreten sind. Die mit der Mängelbeseitigung einhergehende Wertsteigerung ist dabei grundsätzlich gegenzurechnen. Übernimmt der Vermächtnisnehmer durch Zahlung an den Erben die Kosten für noch vom Erblasser in Auftrag gegebene Sanierungsarbeiten am vermachten Gegenstand, kann er diese weder als Erblasserschulden noch als Erbfallkosten in Abzug bringen.
Rz. 144a
Ferner können Reparaturaufwendungen abzugsfähig sein, soweit dem Erblasser kraft öffentlichen Rechts (z. B. aufgrund Anordnung e...