Rz. 731

Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: Bernhard, Regel- und Optionsverschonung beim einheitlichen Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten, ZEV 2021, 209; Dorn/Scharfenberg, Zum Antrag auf Vollverschonung nach §§ 13a, 13b ErbStG – Hinweise für die Beratungspraxis, DB 2021, 1708; Höne, Die Optionsverschonung, NWB-EV 7/2014, 248; Höne, Vorwegabschlag und "neue" Optionsverschonung nach der Erbschaftsteuerreform, NWB-EV 3/2017, 82; Reich, Die sog. "Optionsfalle" der Finanzverwaltung im Rahmen der Begünstigung für unternehmerisches Vermögen i. S. der §§ 13a und 13b ErbStG – eine Systemfrage, DStR 2014, 1424.

13.1 Überblick

 

Rz. 732

Der Verschonungsabschlag beträgt grundsätzlich 85 % (Regelverschonung, § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG). Der Erwerber kann aber einen Verschonungsabschlag von 100 % beantragen (Optionsverschonung, § 13a Abs. 10 S. 1 ErbStG; zuvor § 13a Abs. 8 ErbStG).[1]

 

Rz. 733

Die vollständige Steuerbefreiung ist von strengeren Auflagen abhängig. Die Behalte- und Lohnsummenfrist beträgt dann jeweils 7 Jahre (an Stelle von 5 Jahren) und die Mindestlohnsumme darf (bei mehr als 15 Beschäftigten) 700 % der Ausgangslohnsumme (an Stelle von 400 %) nicht unterschreiten. Bei 610 Beschäftigten gilt eine Mindestlohnsumme von 500 % (an Stelle von 250 %) und bei 1115 Beschäftigten eine Mindestlohnsumme von 565 % (an Stelle von 300 %).

 

Rz. 734

 
Regel- und Optionsverschonung
 

Regelverschonung

(§ 13a Abs. 1 ErbStG)

Optionsverschonung

(§ 13a Abs. 10 ErbStG)
Behaltefrist 5 Jahre 7 Jahre
Lohnsummenfrist 5 Jahre 7 Jahre

Mindestlohnsumme

mehr als 510

Beschäftigte

mehr als 1015

Beschäftigte

mehr als 15

Beschäftigte

250 %

300 %

400 %

500 %

565 %

700 %
[1] S. dazu R E 13a.21 ErbStR 2019.

13.2 Verfassungsrecht

 

Rz. 735

Das BVerfG hat die Möglichkeit der Optionsverschonung nicht beanstandet.[1]

 

Rz. 736

Nach Auffassung des BVerfG kann der Gesetzgeber den Erwerb von unternehmerischem Vermögen nicht nur weitgehend, sondern auch vollständig von der Erbschaft- und Schenkungsteuer freistellen. Damit ist auch die Vollverschonung i. H. v. 100 % verfassungsrechtlich zulässig. Die Möglichkeit der Vollverschonung muss dabei nicht auf kleine und mittlere Unternehmen beschränkt werden. Vielmehr ist auch beim Erwerb von großen Unternehmen eine vollständige Steuerbefreiung grundsätzlich möglich (vorbehaltlich einer Bedürfnisprüfung im Einzelfall).

 

Rz. 737

Im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2016[2] hat der Gesetzgeber demnach von einer Streichung der Optionsverschonung oder eine Reduzierung des Verschonungsabschlags abgesehen.

 

Rz. 738–740

einstweilen frei

[1] BVerfG v. 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50, DStR 2015, 31.
[2] BGBl I 2016, 2464, BStBl I 2016, 1202.

13.3 Antrag des Erwerbers

 

Rz. 741

Der Erwerber muss die Optionsverschonung beantragen (§ 13a Abs. 10 S. 1 ErbStG: "unwiderruflich erklären").

 

Rz. 742

Der Antrag muss bei dem für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständigen FA schriftlich oder zur Niederschrift gestellt werden.[1] Eine Begründung des Antrags ist nicht erforderlich.[2]

 

Rz. 743

Eine Frist für den Antrag ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der Antrag muss nicht in oder zusammen mit der Steuererklärung gestellt werden. Der Antrag kann allerdings nur bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung gestellt werden.[3]

 

Rz. 744

Der Antrag auf Optionsverschonung ist "unwiderruflich" (§ 13a Abs. 10 S. 1 ErbStG). Nach dem Zugang des Antrags (§ 130 Abs. 3 BGB) beim zuständigen FA für die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist ein Widerruf nicht mehr möglich.[4] Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber gegen die Behaltens- oder Lohnsummenregelung verstoßen hat.[5]

 

Rz. 745

Das Antragsrecht steht dem Erwerber auch dann zu, wenn die Steuer von einem anderen zu tragen oder übernommen worden ist (s. § 10 Abs. 2 ErbStG).

 

Rz. 746

Bei mehreren Erwerbern steht das Antragsrecht jedem Erwerber alleine zu. Mehrere Erwerber können den Antrag auch getrennt voneinander und unterschiedlich stellen. Dies gilt auch dann, wenn sich mehrere Erben noch nicht auseinandergesetzt haben (z. B. im Falle einer ungeteilten Erbengemeinschaft, §§ 2032 ff. BGB).

 

Rz. 747

Bei minderjährigen Erwerbern ist der Antrag von dem Inhaber der Vermögenssorge zu stellen (§§ 1626 ff. BGB). Eine gerichtliche Genehmigung ist für den Antrag nicht erforderlich (§§ 1643, 1821 ff. BGB).

 

Rz. 748

Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlasspfleger sind zwar zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet (§ 31 Abs. 5 und 6 ErbStG). Ein Recht, den Antrag auf Optionsverschonung zu stellen, steht ihnen im Regelfall aber nicht zu. Es besteht auch keine Pflicht, auf einen solchen Antrag hinzuwirken.

 

Rz. 749

Beim Erwerb durch eine juristische Person muss der Antrag von den vertretungsberechtigten Organmitgliedern gestellt werden (z. B. dem Stiftungsvorstand, §§ 86, 26 BGB).

 

Rz. 750

Rspr.[6] und FinVerw sind der Auffassung, dass der Antrag auf Optionsverschonung im Erbfall insgesamt nur einheitlich für alle Arten des erworbenen begünstigten Vermögens gestellt werden kann.[7] Bei Schenkungen kann der Antrag dagegen für je...

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