Rz. 54
Das neue Unternehmenserbschaftsteuerrecht enthält eine ganze Fülle von Regelungen, deren konkrete Ausgestaltung kritikwürdig erscheint. Nicht jeder Verstoß gegen die Grundsätze der Systematik oder der Folgerichtigkeit hat dabei gleich einen Verfassungsverstoß zur Folge. Die Vielzahl der Verstöße ist aber doch bedenklich.
Rz. 55
Beispiele dafür sind u. a.:
1.3.3.1 Fristen
Rz. 56
Der Gesetzgeber macht die steuerliche Begünstigung von zahlreichen Behaltefristen abhängig. Dabei gibt es Fristen von 2, 5, 7, 10 und 20 Jahren. Eine Systematik ist nicht erkennbar. Teilweise wird auf Kalenderjahre, teilweise auf Wirtschaftsjahre und teilweise auf Zeitjahre abgestellt. Die Berechnung erfolgt nicht einheitlich. Die meisten Fristen laufen nach der Steuerentstehung; es gibt aber auch Fristen vor der Steuerentstehung.
1.3.3.2 Einzelunternehmen
Rz. 57
Einzelunternehmen werden gegenüber Gesellschaften vielfach benachteiligt. Der Erwerb eines Wohnungsunternehmens ist nur begünstigt, wenn es sich um eine Personen- oder Kapitalgesellschaft handelt. Der Vorweg-Abschlag von bis zu 30 % wird nur bei Familiengesellschaften, nicht auch bei Einzelunternehmen gewährt. Der Einzelunternehmer, der mit seinem gesamten Vermögen haftet ("der ehrbare Kaufmann"), müsste steuerlich mindestens genauso behandelt werden wie die Gesellschafter (jedenfalls nicht schlechter).
1.3.3.3 Rechtsformneutralität
Rz. 58
Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ist auch sonst nicht rechtsformneutral. Die bereits früher bestehenden Rechtsformunterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften wurden beibehalten (z. B. Mindestbeteiligung, Gesellschaftsdarlehen, Auslandsgesellschaften). Bei dem Vorweg-Abschlag wird zwischen steuerbegünstigten Stiftungen und Familienstiftungen differenziert. Inländische Familienstiftungen werden anders behandelt als ausländische Familienstiftungen.
1.3.3.4 Wohnungsunternehmen
Rz. 59
Der Erwerb von Wohnungsunternehmen war und ist steuerlich begünstigt. Für ein Wohnungsunternehmen bedarf es einer bestimmten Anzahl von Wohnungen. Der Erwerber eines (großen) Unternehmens mit mehr als 300 Wohnungen ist steuerlich begünstigt. Für den Erwerber eines (kleineren) Unternehmens mit weniger als 300 Wohnungen ist dagegen keine Verschonung vorgesehen; er muss die vollen Steuern bezahlen (und zwar auf Grundlage des gemeinen Werts). Mit dem Bereicherungsgedanken und dem Leistungsfähigkeitsprinzip ist die steuerliche Begünstigung von großen Wohnungsunternehmen nicht zu vereinbaren. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz ist es kaum nachzuvollziehen, dass der Erbe eines Wohnungsunternehmens mit z. B. 1.000 Wohnungen keine Erbschaftsteuer und der Erbe eines privaten Miethauses mit vielleicht 10 Wohnungen die volle Erbschaftsteuer bezahlen muss.
1.3.3.5 Grundstücke
Rz. 60
Der Erwerb von (privaten und betrieblichen) Grundstücken wird steuerlich höchst unterschiedlich behandelt. Das selbstgenutzte Familienheim ist in bestimmten Fällen sachlich von der Steuer befreit. Bei vermieteten Wohngrundstücken wird ein Wertabschlag von 10 % gewährt. Betriebliche Grundstücke gehören grundsätzlich nur dann zum begünstigten Vermögen, wenn sie selbst gewerblich genutzt werden. Allerdings gibt es von diesem Grundsatz zahlreiche Ausnahmen, z. B. für Betriebsaufspaltungen, Sonderbetriebsvermögen und Konzernsachverhalte. Der Erwerb von gewerblichen Wohnungsunternehmen kann i. H. v. 85 % bzw. 100 % steuerbefreit sein. Voraussetzungen und Rechtsfolgen der einzelnen Verschonungsregelungen unterscheiden sich ganz erheblich. Ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Besteuerung des Erwerbs von Grundstücken ist nicht ersichtlich.
1.3.3.6 Quote des Verwaltungsvermögens
Rz. 61
Der Gesetzgeber stellt in verschiedenem Zusammenhang auf eine bestimmte Quote des Verwaltungsvermögens ab. Dabei gibt es Quoten von 10 %, 15 %, 20 % und 90 %. Die einzelnen Quoten werden nicht nach einheitlichen Vorgaben ermittelt. Vielmehr kommen in jedem Einzelfall unterschiedliche Berechnungsmethoden zur Anwendung. Mehrfach werden Brutto- und Nettogrößen miteinander verglichen. Bei der Berechnung können sich Quoten von mehr als 100 % ergeben. Die einzelnen Quoten sind weder vergleichbar noch vorhersehbar. Zufällige (willkürliche) Ergebnisse sind keineswegs ausgeschlossen.
1.3.3.7 Verfügungsbeschränkungen
Rz. 62
Die Gesellschafter von Familienunternehmen können über ihre Anteile regelmäßig nicht frei verfügen. Diese Verfügungsbeschränkungen haben steuerlich unterschiedliche Folgen. Bei der Ermittlung des gemeinen Werts werden die Verfügungsbeschränkungen nicht berücksichtigt. Bei Kapitalgesellschaften können Verfügungsbeschränkungen die Grundlage für die Zusammenrechnung mehrerer Anteile bilden. Bei Familiengesellschaften sind Verfügungsbeschränkungen im Gesellschaftsvertrag Voraussetzung für die Gewährung eines Vorab-Abschlags. Bei der Ermittlung des verfügbaren Vermögens von Erwerbern sind Verfügungsbeschränkungen wiederum ohne Bedeutung.
1.3.3.8 Kunstgegenstände
Rz. 63
Der Erwerb von Kunstgegenständen und -sammlungen ist aus Gründen des Gemeinwohls ganz oder teilweise von der Steuer befre...