Rz. 444
Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: Milatz/Kämper, Nachbesteuerung bei "Überausschüttungen" im Rahmen der Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung, GmbHR 2009, 762; Reich, (Erbschaft-)Steuerfinanzierung für Gesellschafter von Familienunternehmen, DStR 2015, 2353; Schütte, Nachversteuerung bei "Überentnahmen" nach § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG, DStR 2009, 2356; Söffing, A./Bron, Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto innerhalb der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Behaltensfrist, DStR 2016, 1913.
Rz. 445
Der Nachsteuertatbestand in Nr. 3 betrifft Überentnahmen und Überausschüttungen (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 ErbStG). Die Regelung gilt bei jedem Erwerb von begünstigungsfähigem Vermögen und umfasst somit land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften.
Rz. 446
Zu einer Nachversteuerung kommt es dann, wenn der Betriebsinhaber oder Gesellschafter bis zum Ende des letzten in die 5-jährige Behaltefrist fallenden Wirtschaftsjahres Entnahmen tätigt, die die Summe seiner Einlagen und der ihm zuzurechnenden Gewinne oder Gewinnanteile seit dem Erwerb um mehr als 150.000 EUR übersteigen (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 S. 1 Halbs. 1 ErbStG). Verluste bleiben dabei unberücksichtigt (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 S. 1 Halbs. 2 ErbStG).
Rz. 447
Die Grenze für die zulässigen Überentnahmen von 150.000 EUR gilt sowohl im Fall der Regelverschonung als auch im Fall der Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG). Bei der Optionsverschonung gilt allerdings an Stelle der Behaltefrist von 5 Jahren eine Behaltefrist von 7 Jahren (§ 13a Abs. 10 S. 1 Nr. 6 ErbStG).
Rz. 448
Für die Berechnung der Überentnahmen sind die Grundsätze des Ertragsteuerrechts maßgebend.
Rz. 449
Die Entnahmebegrenzung ist für jeden Betrieb gesondert zu prüfen. Die betriebsbezogene Betrachtungsweise verhindert, dass Einlagen und Entnahmen zwischen verschiedenen Betrieben saldiert werden können.
Rz. 450
Nach dem Gesetzeswortlaut werden bei den Überentnahmen alle dem Erwerber zuzurechnenden Gewinne berücksichtigt. Steuersystematisch dürften aber nur solche Gewinne zu einer Überentnahme führen, die auch mit dem begünstigten Vermögen (§ 13b Abs. 2 ErbStG) erwirtschaftet worden sind. Gewinne aus dem nicht begünstigten Vermögen sollten dagegen ohne Begrenzung entnommen werden können. Ohne steuerliche Begünstigung ist eine Entnahmebegrenzung sachlich nicht gerechtfertigt.
Rz. 451
Die Gründe für einen Verstoß gegen die Behaltensregelung sind generell unbeachtlich. Dementsprechend kommt der Nachsteuertatbestand der Überentnahmen unabhängig davon zur Anwendung, aus welchem Grund die Entnahmen erfolgt sind. Eine Ausnahme wird nicht einmal für Entnahmen gemacht, die zur Bezahlung der Erbschaft- und Schenkungsteuer erfolgt sind.
Rz. 452
Die Behaltefrist beträgt grundsätzlich 5 Jahre (§ 13a Abs. 6 S. 1 Halbs. 1 ErbStG). Für die Berechnung der Überentnahmen kommt es dagegen auf den Zeitraum von der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) "bis zum Ende des letzten in die Fünfjahresfrist fallenden Wirtschaftsjahres" an.
Rz. 453
Die Entnahmegrenze muss nicht während jedes einzelnen Jahres der 5-jährigen Behaltefrist eingehalten werden. Vielmehr kommt es ausschließlich darauf an, ob die Entnahmen nach Ablauf des gesamten Zeitraums die gesetzlichen Höchstgrenzen überschritten haben.
Rz. 454
In der Beratungspraxis gilt es daher, rechtzeitig vor Ablauf des maßgeblichen 5-Jahreszeitraums die Höhe der voraussichtlichen Überentnahmen zu überprüfen.
Rz. 455
Der Erwerber hat die Möglichkeit, etwaige Überentnahmen vor Fristende durch Einlagen auszugleichen. Die FinVerw sieht darin zu Recht keinen Gestaltungsmissbrauch.
Rz. 456
Der Nachsteuertatbestand gilt auch beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 S. 3 ErbStG). Für Ausschüttungen an die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gilt die Regelung zu den Überentnahmen entsprechend. Die Regelung erfasst offene und verdeckte Ausschüttungen. Es kommt nicht darauf an, ob diese unmittelbar oder mittelbar erfolgen.