Rz. 605

Ausgewählte Hinweise auf weiterführende Literatur: Klümpen-Neusel, Die Investition betrieblicher Liquiditätsreserven in ausgewählte Anlageinstrumente und ihre erbschaftsteuerlichen Auswirkungen unter Berücksichtigung der ErbStR 2019, DStR 2020, 2639; Kowanda, Die neue Investitionsklausel des § 13b Abs. 5 ErbStG: Regelungslücken und ertragsteuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, DStR 2017, 469; Kowanda, Das neue Erbschaftsteuerrecht in der Praxis: (Re)Investitionsklausel für Finanzmittel zur Lohnzahlung bei saisonalen Schwankungen, ErbStB 2017, 48.

8.1 Überblick

 

Rz. 606

Für die Zurechnung von Vermögensgegenständen zum Verwaltungsvermögen sind grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend (§ 9 ErbStG). Die strenge Stichtagbetrachtung kann insbesondere bei Erwerben von Todes wegen zu unbilligen Ergebnissen führen. Vor diesem Hintergrund wurde i. R.d. Erbschaftsteuerreform 2016[1] erstmals eine Investitionsklausel für Verwaltungsvermögen in das Gesetz aufgenommen.[2]

 

Rz. 607

Danach entfällt die Zurechnung von Vermögensgegenständen zum Verwaltungsvermögen rückwirkend, wenn der Erwerber diese Vermögensgegenstände innerhalb von 2 Jahren nach der Entstehung der Erbschaftsteuer in das vom Erblasser erworbene, begünstigungsfähige Vermögen investiert hat, das unmittelbar einer originär gewerblichen Tätigkeit dient und kein Verwaltungsvermögen ist (§ 13b Abs. 5 S. 1 ErbStG).

 

Rz. 608

In gleicher Weise entfällt die Zurechnung von Finanzmitteln zum Verwaltungsvermögen, soweit der Erwerber diese Finanzmittel innerhalb von 2 Jahren nach der Entstehung der Erbschaftsteuer verwendet, um bei (aufgrund wiederkehrender saisonaler Schwankungen) fehlenden Einnahmen die Vergütung für Löhne und Gehälter zu zahlen.[3]

 

Rz. 609

Diese Neuregelung wurde im Bericht des Finanzausschusses wie folgt begründet (BT-Drs. 18/8911, 42 f.):

Zitat

In Absatz 5 wird eine Investitionsklausel für das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen bei Erwerben von Todes wegen eingeführt, um Härtefälle im Zusammenhang mit der Stichtagsbesteuerung abzumildern. Die Erbschaftsteuer ist eine im Zusammenhang mit dem Erbfall stehende Stichtagsteuer. Für die Steuerfestsetzung maßgeblich ist deshalb die Zusammensetzung und der Wert des übertragenen Vermögens in dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (Besteuerungszeitpunkt; §§ 9, 11 ErbStG). Dieses Vermögen unterliegt mit diesem Wert der Besteuerung. Verfügungen des Erwerbers über das erworbene Vermögen nach dem Besteuerungszeitpunkt beeinflussen die Höhe der entstandenen Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht. Sie vollziehen sich im eigenen Vermögen des Erwerbers. Das gilt unabhängig davon, ob sich der Bestand des Vermögens oder seine Zusammensetzung oder lediglich wertbestimmende Faktoren, z. B. die Verzinsung von Kapitalanlagen, ändern. Diese Grundsätze haben der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung (z. B. Urteil vom 27. November 1991 II R 12/89, BStBl 1992 II S. 298, und vom 2. März 2006 II R 57/04, BFH/NV S. 1480) und das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, BStBl II S. 671) bestätigt. Die Einführung einer Investitionsklausel führt zu einer Ungleichbehandlung mit der Besteuerung sonstigen Vermögens, bei dem eine solche Investitionsmöglichkeit in begünstigtes Vermögen nicht möglich ist. Diese Ungleichbehandlung bedarf daher einer tragfähigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

Aufgrund des Stichtagsprinzips muss im Zeitpunkt der Besteuerung das die Beschäftigung erhaltene und deshalb verschonungswürdige betriebliche Vermögen vom verschonungsunwürdigen Vermögen abgegrenzt werden. Diese Abgrenzung kann in einer abstrakt-generellen Regelung vor allem in einem Verwaltungsvermögenskatalog nur mehr oder minder schematisch erfolgen. Diese schematische Abgrenzung führt dazu, dass Vermögen, das zwar formal dem Verwaltungsvermögen zugeordnet wird, dennoch bereits im Zeitpunkt der Besteuerung die im Betrieb angelegte Beschäftigung mit erhält, weil dieses Vermögen für eine zeitnahe Investition in begünstigtes Vermögen vorgesehen ist.

Der Rückschluss von der Investition auf den Erhalt der bestehenden Beschäftigung im Besteuerungszeitpunkt ist jedoch nur möglich, wenn die Investition relativ kurze Zeit nach dem Besteuerungszeitpunkt erfolgt. Eine rückwirkende Zuordnung des zunächst schematisch ermittelten Verwaltungsvermögens zum begünstigten Vermögen ist ausnahmsweise nur dann zu rechtfertigen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer und der Investition nicht mehr als 2 Jahre liegen. Die Investition muss darüber hinaus im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer vom Erblasser als vorgefasster Entschluss bereits geplant gewesen sein und vom Erwerber lediglich noch vollzogen werden. Erfolgt die Investition zeitlich später oder war sie im Besteuerungszeitpunkt noch nicht geplant, kann nicht mehr drauf geschlossen werden, dass das Vermögen bereits im Besteuerungszeitpunkt arbeitsplatzerhaltend war. Das Vermögen würde sich nicht von dem privaten Vermögen unterscheiden, ...

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