Rz. 30

Nach dem Gesetzeswortlaut wird von der Steuer für den Gesamterwerb die Steuer abgezogen, die "für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre". Haben sich die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers oder die anwendbaren Gesetzesregeln geändert, wirkt sich diese Veränderung insoweit aus, als die Steuer auf den Vorerwerb so ermittelt wird, als habe bereits zum Zeitpunkt des Vorerwerbs die z. B. günstigere Steuerklasse oder der höhere Freibetrag gegolten. Hat es hingegen keine Veränderung der persönlichen Verhältnisse und Besteuerungsregeln gegeben, ist die berechnete fiktive Steuer im Regelfall mit der tatsächlich zu entrichtenden Steuer identisch.

 

Rz. 31

Unklar ist, wie und ob überhaupt die fiktive Steuer zu ermitteln ist, wenn der Vorerwerb nicht besteuert worden war. Die fiktive Steuer, die auf dem Vorerwerb lastet, ist nach dem Gesetzeswortlaut von der Steuer auf den Gesamterwerb in Abzug zu bringen. Es kommt danach also nicht darauf an, dass der Vorerwerb in einer Schenkungsteuerfestsetzung enthalten ist. Im Ergebnis geht die überwiegende Auffassung zu Recht davon aus, dass die Nichtbesteuerung des Vorerwerbs für die Ermittlung der fiktiven Steuer ohne Konsequenzen bleibt.[1] Da bei dieser Fallgruppe mangels durchgeführter Festsetzung eine tatsächlich bezahlte Steuer[2] nicht vorkommen kann, kommt es bei diesen Zusammenrechnungsfällen "nur" zu einer Anrechnung der auf dem Vorerwerb lastenden fiktiven Steuer nach § 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG. Die Günstigerprüfung nach S. 3 entfällt hier.

 

Rz. 32

Nach vorherrschender Ansicht ist es für die Ermittlung der fiktiven Steuer unbeachtlich, ob der Vorerwerb im damaligen Schenkungsteuerbescheid wertmäßig zutreffend angesetzt worden war oder nicht. Ist z. B. ein Grundstück wertmäßig mit 400.000 EUR in den Steuerbescheid für den Vorerwerb im Jahr 2000 eingegangen und stellt sich bei der Ermittlung des Gesamterwerbs heraus, dass dieses Grundstück im Zeitpunkt der Zuwendung in 2000 nur einen Grundbesitzwert von 380.000 EUR hatte, ist die fiktive Steuer auf Basis eines Vorerwerbs von 380.000 EUR zu ermitteln. Nur diese so ermittelte materiell-rechtlich zutreffende Schenkungsteuer ist dann als Steuer i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG – vorbehaltlich der Anwendung von § 14 Abs. 1 S. 3 ErbStG – von der Steuer des Gesamterwerbs abzuziehen.[3]

[1] Götz, ZEV 2008, 29, 30.
[3] Halaczinski, ErbStB 2006, 187, 189.

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