Rz. 36
§ 28 Abs. 3 S. 1 ErbStG gilt in sachlicher Hinsicht nach der bis 30.6.2016 geltenden Rechtslage für den Erwerb begünstigten Vermögens i. S. d. § 13c Abs. 3 ErbStG a. F. bzw. nach der ab 1.7.2016 geltenden Rechtslage für begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13d Abs. 3 ErbStG, d. h. für bebaute Grundstücke oder Grundstücksteile, die zu Wohnzwecken vermietet werden, im Inland, einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des EWR belegen sind und nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft i. S. d. § 13a ErbStG gehören. Für Erwerbe mit einer Steuerentstehung vor dem 1.1.2021 führt der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU nicht zu einem Wegfall der Stundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG.
Rz. 37
Ein Anspruch auf antragsgemäße Stundung besteht darüber hinaus nach § 28 Abs. 3 S. 2 ErbStG, wenn zum Erwerb ein Ein- oder Zweifamilienhaus oder Wohneigentum gehört, das der Erwerber nach dem Erwerb tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Die Stundung kann nach dem Wortlaut der Vorschrift nur für ein Grundstück gewährt werden, das zu den genannten Grundstücksarten zählt, womit eine Wohnung auf einem Mietwohn-, Geschäfts- oder gemischt genutzten Grundstück oder auf einem sonstigen bebauten Grundstück nicht begünstigt ist; der Erblasser bzw. Schenker muss das Grundstück vor der Übertragung jedoch nicht zu eigenen Wohnzwecken oder als Familienheim genutzt haben. Unter dem Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist unter Rückgriff auf die Begriffsbestimmung zur steuerfreien Übertragung eines Familienheims gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a–4c ErbStG ein entsprechender Mittelpunkt des familiären Lebens des Erwerbers zu verstehen: Eine Nutzung als Ferien- oder Wochenenddomizil stellt ebenso wenig eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar, wie die vollständige oder teilweise Vermietung an Dritte, wobei die unentgeltliche Überlassung einzelner Wohnräume an nahe Verwandte ebenso unschädlich ist, wie die berufliche Nutzung einzelner Räume, solange die Wohnnutzung insgesamt überwiegt. Wegen der Beschränkung auf die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken kann die Stundung gem. § 28 Abs. 3 S. 2 ErbStG nach dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift auch nur für "ein" – d. h. das anschließend zu eigenen Wohnzwecken genutzte – Objekt in Anspruch genommen werden. Sind im Einzelfall die weitergehenden Regelungen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4a–4c ErbStG über die begünstigte Übertragung eines Familienheims erfüllt, gehen diese Regelungen als antragsunabhängige und von Amts wegen zu prüfende sachliche Steuerbefreiung der Stundungsregelung des § 28 Abs. 3 S. 2 ErbStG vor.
Rz. 38
Nach Aufgabe der Selbstnutzung des erworbenen Ein- oder Zweifamilienhauses bzw. Wohneigentums entfallen zwar die Voraussetzungen für eine entsprechende Stundung, womit nach § 28 Abs. 3 S. 2 ErbStG diese insoweit automatisch endet. Nach § 28 Abs. 3 S. 3 ErbStG ist jedoch eine "Anschlussstundung" nach § 28 Abs. 3 S. 1 ErbStG zu gewähren, wenn insoweit die Voraussetzungen vorliegen – d. h. der Erwerber das Ein- oder Zweifamilienhaus nach Aufgabe der Selbstnutzung zu Wohnzwecken vermietet. Endet die Selbstnutzung durch eine Veräußerung des nach § 28 Abs. 3 S. 2 ErbStG begünstigten Vermögens, entfällt das Bedürfnis für eine weitere Stundung, da nunmehr Kapital für die Begleichung der Steuerschuld vorhanden ist.
Rz. 39
Eine Stundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG setzt neben dem Erwerb begünstigter Wohnobjekte zudem nach § 28 Abs. 3 S. 1 ErbStG voraus, dass der Erwerber die verwirklichte Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer lediglich durch eine Veräußerung dieses Vermögens aufbringen kann. Dies ist letztlich nur der Fall, wenn der Erwerber außer dem begünstigten Vermögen kein weiteres Vermögen erhalten hat und die Steuer auch nicht aus eigenem Vermögen aufbringen kann. Zudem muss der Erwerber auch die Möglichkeit einer Kreditaufnahme ausschöpfen, wobei diesem auch die Beweislast obliegt, dass er die Steuer nur durch die Veräußerung des erworbenen Vermögens aufbringen kann. Eine Stundung ist nach dem Willen des Gesetzgebers ferner ausgeschlossen, wenn im Fall einer Schenkung unter Lebenden der Schenker zur Zahlung herangezogen werden kann, weil er sich entweder zur Übernahme der Schenkungsteuer i. S. d. § 10 Abs. 2 ErbStG verpflichtet hat oder als Gesamtschuldner nach § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG in Anspruch genommen werden kann. Diese relativ hohe Hürde des zwangsweisen Notverkaufs beschränkt in der Praxis den tatsächlichen Anwendungsbereich einer Stundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG auf einige wenige Ausnahmefälle. Schließlich ist dem Erwerber nach Ansicht der FinVerw auch zuzumuten, die gestundete Steuer aus den Vermietungs- oder sonstigen Einnahmen kontinuierlich zu tilgen.