Rz. 208
Für die Verschonungsbedarfsprüfung kommt es auf das verfügbare Vermögen des jeweiligen Erwerbers an (§ 28a Abs. 2 ErbStG).
Rz. 209
Eine Zusammenrechnung des Vermögens von mehreren Erwerbern ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Personen einander nahestehen (s. § 1 Abs. 2 AStG) oder es sich um Familienangehörige (s. § 15) handelt. Eine Zusammenrechnung ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Erwerber mit anderen Personen durch vertragliche oder gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen (z. B. einen Gesellschaftsvertrag eines Familienunternehmens i. S. v. § 13a Abs. 9 ErbStG oder eine Pool- und Stimmrechtsvereinbarung i. S. v. § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG) verbunden ist. Maßgebend ist stets die steuerliche Leistungsfähigkeit des jeweiligen Erwerbers.
Rz. 210
Für den Steuererlass kommt es (nach dem Gesetzeswortlaut) auch dann allein auf das verfügbare Vermögen des Erwerbers an, wenn er die Steuer gar nicht bezahlt, sondern diese von einem Dritten (z. B. dem Schenker) übernommen wird (§ 10 Abs. 2 ErbStG). Der Antrag auf Verschonungsbedarfsprüfung kann danach begründet sein, obwohl der Schenker (nicht aber der Erwerber) über entsprechendes Vermögen verfügt. Das verfügbare Vermögen des Schenkers kann dem Erwerber nicht zugerechnet werden.
Rz. 211
Der neue Steuererlass schafft somit gezielt Anreize, Vermögen auf Erwerber ohne eigenes (verfügbares) Vermögen zu übertragen. Dies lässt die Übertragung von begünstigtem Vermögen auf minderjährige Kinder (möglicherweise sogar Neugeborene), Studenten oder "Hartz IV Empfänger" zumindest aus steuerlicher Sicht (vermeintlich) attraktiv erscheinen. In der Praxis werden solchen Unternehmensübertragungen aber oftmals familiäre, unternehmerische oder wirtschaftliche Gründe entgegenstehen.
Rz. 212
Die neue Verschonungsbedarfsprüfung kann aber auch genutzt werden bei der Übertragung begünstigten Vermögens auf "künstliche" Erwerber (vor allem Gesellschaften und Stiftungen). Diese Erwerber werden neu gegründet und verfügen demnach nur über ein geringes eigenes Vermögen. Die Erwerber sind demnach steuerlich bedürftig und können somit den Steuererlass in Anspruch nehmen. Ein wesentlicher Vorteil von solchen "künstlichen" Erwerbern ist das deutlich geringere Risiko eines steuerschädlichen Nacherwerbs (§ 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ErbStG). Bei einer natürlichen Person lässt sich nie ganz ausschließen, dass diese in den nächsten 10 Jahren weiteres Vermögen von Todes wegen oder unter Lebenden erwirbt. Die Ausschlagung einer Erbschaft oder die Nichtannahme einer Schenkung ist nicht immer möglich bzw. gewollt. Bei einem "künstlichen" Erwerber ist es dagegen weitgehend ausgeschlossen, dass dieser weiteres Vermögen erbt oder geschenkt bekommt. Als "künstliche" Erwerber kommen in der Praxis vor allem GmbH's und Familienstiftungen in Betracht.
Rz. 213
Der potenzielle Erwerber errichtet eine neue (vermögensverwaltende) GmbH. Die Gesellschaft wird ordnungsgemäß errichtet und im Handelsregister eingetragen. Im Anschluss wird das unternehmerische Vermögen auf die neu gegründete GmbH (und nicht auf den an sich angedachten Erwerber persönlich) übertragen. Die GmbH verfügt (abgesehen von dem Stammkapital, sofern dieses einbezahlt und nicht schon wieder verbraucht worden ist) über kein eigenes Vermögen. Die GmbH verfügt somit über kein (nennenswertes) verfügbares Vermögen. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist der GmbH auf Antrag (vollständig) zu erlassen. Das gilt unabhängig von der Höhe des Erwerbs. Das Vermögen des Gesellschafters kann der GmbH nicht als eigenes (verfügbares) Vermögen zugerechnet werden. Für eine solche Zurechnung besteht keine Rechtsgrundlage. Der GmbH kommt als juristischer Person zivil- und steuerrechtlich Abschirmwirkung zu.
Rz. 214
Eine solche Gestaltung ist zivil- und steuerrechtlich zulässig. Gleichwohl bestehen gewisse Risiken.
Rz. 215
Bei einem Erwerb zu Lebzeiten könnte neben der tatsächlichen Zuwendung des Schenkers an die GmbH (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) eine weitere, fiktive Zuwendung des Schenkers an den GmbH-Gesellschafter persönlich angenommen werden (§ 7 Abs. 8 ErbStG). Rechtsgrundlage dafür könnte § 7 Abs. 8 ErbStG sein. Danach gilt als Schenkung "auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft (…) beteiligte natürliche Person (…) (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt" (§ 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG). Der genaue Anwendungsbereich der im Jahr 2011 neu eingeführten Vorschrift (§ 37 Abs. 7 ErbStG) ist sehr umstritten. Nach dem Gesetzeswortlaut könnte die Vorschrift im vorliegenden Fall anwendbar sein. Richtigerweise ist dies allerdings abzulehnen. Der neue Steuertatbestand (§ 7 Abs. 8 ErbStG) soll bestehende Besteuerungslücken schließen, nicht aber zur doppelten Besteuerung bereits steuerpflichtiger Erwerbe führen. Die Übertragung des begünstigten Vermögens vom Schenker an die GmbH kann nicht gleichzeitig eine freigebige Zuwendung an di...