Rz. 6
§ 29 Abs. 1 ErbStG ordnet unter seinen näheren Voraussetzungen ein Erlöschen der Steuer für die Vergangenheit an. Zu den sich daraus ergebenden verfahrensrechtlichen Folgerungen vgl. Rz. 80 ff. Zahlungen nach § 10 Abs. 5 ErbStG (z. B. zur Abwehr etwaiger Herausgabeansprüche des Vertragserben) sind neben § 29 Abs. 1 ErbStG anwendbar.
2.1 Herausgabe eines Geschenks wegen Rückforderungsrecht (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)
Rz. 7
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Die Anwendung der Vorschrift setzt voraus, dass die Schenkungsteuer für das später herauszugebende Geschenk überhaupt entstanden war (zur Steuerentstehung § 7 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) und das Rückforderungsrecht dem Schenker zusteht. Das Rückforderungsrecht kann sich sowohl aus Gesetz als auch aufgrund vertraglicher Vereinbarung ergeben.
2.1.1 Herausgabe des Geschenks
Rz. 8
Ein "Geschenk" i. S. d. Bestimmung ist jeder Vermögensgegenstand, der aufgrund einer Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 ErbStG) erworben wurde; ebenfalls erfasst sind Erwerbe kraft Schenkung auf den Todesfall i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Das Geschenk muss ferner "herausgegeben" worden sein.
Erforderlich ist die tatsächliche Herausgabe des Geschenks. Der Schenker muss seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt haben. Die bloße Verpflichtung zur Rückgabe oder der nur formale Widerruf der Schenkung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Das muss auch dann gelten, wenn das Schenkungsversprechen nichtig war und auch nicht durch den Vollzug der Schenkung geheilt wurde. Dies folgt aus § 41 AO, der unwirksame Rechtsgeschäfte bis zu ihrer Rückabwicklung steuerlich als wirksam betrachtet. Scheidet im Einzelfall die körperliche Herausgabe des Geschenks aus und bedarf es entsprechender Mitwirkungshandlungen des Beschenkten zur Rückgängigmachung der Schenkung, so erlischt die Steuer bei Vornahme der Mitwirkungshandlung. Entscheidend ist, dass das Geschenk nicht beim Empfänger verbleibt. Die Herausgabe des Geschenks muss daher nicht an den Schenker erfolgen, sodass auch die Herausgabe kraft entsprechenden Anspruchs an einen Dritten genügt. An der Herausgabe fehlt es jedenfalls dann, wenn der Beschenkte trotz Aufhebung eines Grundstücksschenkungsvertrags weiterhin Eigentümer des Grundstücks bleibt. Die freiwillige Rückgabe aufgrund einer moralischen oder sittlichen Verpflichtung führt zu einer Rückschenkung und wegen der erforderlichen Rückübertragsverpflichtung u. U. zu einer schlechteren Steuerklasse.
Rz. 9
Die steuerliche Abwicklung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereitet kaum Schwierigkeiten, wenn der zugewendete einzelne Vermögensgegenstand herausgegeben wird. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist auch anzuwenden, wenn der herausgegebene Vermögensgegenstand nur Teil einer größeren Schenkung war und das Geschenk lediglich teilweise zurückgegeben wird. In diesem Fall ist der Steuerbescheid nur im Umfang des Herausgegebenen zu ändern. Hierbei muss von der Rechtslage und den Steuerwerten im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ausgegangen werden. Gleiches gilt dann, wenn es sich um eine gemischte Schenkung handelte. Wird eine Geldschenkung gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG rückgängig gemacht und der vom Beschenkten mit dem geschenkten Geld erworbene Rentenversicherungsanspruch gepfändet, bestimmt sich das Maß der Entreicherung nach dem Kapitalwert der Leistungen aus der Rentenversicherung.
2.1.2 Gesetzlich normierte Rückforderungs- und Herausgaberechte
Rz. 10
Die Herausgabe muss nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufgrund eines Rückforderungsrechts erfolgt sein. Ein solches kann sich aus gesetzlichen Regelungen des BGB (insb. des Schenkungs- und Erbrechts) und ebenso aus dem Vertrag ergeben. In gleicher Weise ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei gesetzlichen Herausgabeansprüchen anwendbar.
Rz. 11
Ein Rückforderungsrecht besteht zunächst im Fall der Nichtigkeit der Schenkung, z. B. aufgrund Anfec...