Rz. 80
§ 29 Abs. 1 ErbStG ordnet das Erlöschen der Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit an. Die Vorschrift ergänzt die in § 47 AO beispielhaft aufgezählten Erlöschensgründe, enthält jedoch selbst keine Aussage über die verfahrensrechtlichen Rechtsfolgen. Insoweit ist § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO anzuwenden: Die entsprechende Steuerfestsetzung ist wegen des durch § 29 Abs. 1 ErbStG angeordneten Erlöschens der Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben oder im Umfang der Erlöschenswirkung zu ändern. Hat die Testamentsvollstreckerin nach dem Tod des Erblassers eine Schenkung nach liechtensteiner Recht rechtsirrig als schenkungssteuerbar beurteilt und gem. § 3 Abs. 1 S. 1 StraBEG Schenkungssteuer nachentrichtet, steht der Vertragserbin ein Anspruch auf Rückzahlung der nach § 29 Abs. 1 ErbStG entrichteten Steuer gem. § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG zu.
Ist die rückgängig gemachte Schenkung als Vorerwerb i. S. d. § 14 ErbStG in einer Steuerfestsetzung für einen nachfolgenden Erwerb berücksichtigt worden, ist nach Aufhebung bzw. Änderung des Schenkungsteuerbescheids für den Vorerwerb auch der nachfolgende Schenkungsteuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ErbStG zu ändern oder aufzuheben.
Rz. 81
Ein Antrag auf Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung ist ratsam, nicht aber gesetzlich geboten. Antrags- und erstattungsberechtigt ist der jeweilige Steuerschuldner, in den Fällen des § 10 Abs. 2 ErbStG also der Schenker. Für die Aufhebung oder Änderung beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt. Der sich aus § 29 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ergebende Erstattungs- und Vergütungsanspruch kann daher nach Ablauf der Festsetzungsfrist von 4 Jahren nicht mehr geltend gemacht werden.
Rz. 82
Lehnt das FA die Änderung ab, so ist hiergegen der Einspruch und ggf. die Verpflichtungsklage gegeben.
Rz. 83
Behauptet der Beschenkte eine Verpflichtung zur Rückgewähr einer Zuwendung, so hat er – soweit vom FA bestritten – die dieser Verpflichtung zugrunde liegenden Tatsachen zu beweisen. Den Erwerber trifft insoweit die Feststellungslast. Eine Verzinsung des sich aus der Verwendung des § 29 Abs. 1 ErbStG ergebenden Erstattungsanspruchs im Rahmen der sog. Vollverzinsung (§ 233a AO) erfolgt nicht, weil § 233a AO nicht für die Erbschaftsteuer gilt.
Rz. 84
Umstritten ist, ob eine Verzinsung hinterzogener Steuern (§ 235 AO) auch dann erfolgen kann, wenn das FA nachträglich die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 ErbStG anerkennt. Das FG Hessen hat die Voraussetzungen des § 235 AO bejaht. Es hat sich insbesondere darauf berufen, dass ein Schenkungsteuerbescheid keine Bindungswirkung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO entfaltet. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen richtet sich nicht akzessorisch nach dem festgesetzten, sondern nach dem tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrag.
Der Annahme des § 235 AO dürfte jedoch entgegen stehen, dass in diesem Fall wegen § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG keine Steuerhinterziehung vorlag.
Rz. 85–99
einstweilen frei