Rz. 300

Der Tatbestand der freigebigen Zuwendung setzt einen Willen zur Freigebigkeit voraus. Dieser lässt sich im Anschluss an Hannes/Holtz[1] dogmatisch in 3 Elemente untergliedern: (1) in den Willen zur Bereicherung, der Zuwendende will den Bedachten durch die Zuwendung wirtschaftlicher Vorteile begünstigen; (2) den Willen zur Unentgeltlichkeit, die Zuwendung erfolgt nicht um einer Gegenleistung willen oder in der Erfüllung einer Rechtspflicht; und (3) den Willen zur schenkweisen Zuwendung, der Zuwendende will den Bedachten um der Bereicherung willen bereichern und nicht zur Regelung arbeits-, familien- oder gesellschaftsrechtlicher Beziehungen.

 

Rz. 301

Nach der gegenwärtigen Rspr. des BFH[2] genügt für den subjektiven Tatbestand der (einseitige) Wille des Zuwendenden zur Unentgeltlichkeit. Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille i. S. einer Bereicherungsabsicht und ein Wille zur schenkweisen Zuwendung seien nicht erforderlich. Der Wille zur Unentgeltlichkeit liege vor, "wenn sich der Zuwendende der Unentgeltlichkeit der Zuwendung derart bewusst sei, dass er seine Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck erbringe; er sei, anders ausgedrückt, dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung zu erhalten".[3] Dass das Schenkungsrecht ein zusätzliches Willensmerkmal enthalte, sei für das Schenkungsteuerrecht unerheblich. Auch sind die Motive des Zuwendenden für den subjektiven Tatbestand ohne Bedeutung.[4]

 

Rz. 302

Die von der Rspr. des BFH vertretene Verkürzung des subjektiven Tatbestands auf einen Willen zur Unentgeltlichkeit führt bei der Abgrenzung von teilentgeltlichen zu vollentgeltlichen Zuwendungen zu dogmatischen Ungereimtheiten.[5] Sie würde im Ergebnis zu einer Ausweitung der Schenkungsbesteuerung auf den Bereich des Geschäfts- und Wirtschaftslebens, möglicherweise auch des Arbeitsrechts führen. Damit würde die historisch gewachsene Überzeugung, dass die Schenkungsteuer außerhalb von Familie und Freundeskreis wenig zu suchen habe[6], prinzipiell aufgegeben. Die Schenkungsteuer würde sich in letzter Konsequenz zu einer Unternehmenssteuer entwickeln[7], wobei sich zusätzlich eine Doppelbesteuerung bestimmter Sachverhalte mit Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer ergäbe. Deshalb muss in besonderer Weise die Entscheidung des BFH vom 29.10.1997[8] hervorgehoben werden, in der es um Vorgänge im Geschäfts- und Wirtschaftsleben ging und bei der ein "Wille zur Unentgeltlichkeit" außer Frage stand. Der BFH führt dann aber aus, dass bei subjektiver Verfolgung geschäftlicher Interessen das Bewusstsein der Unentgeltlichkeit verdrängt sein könne. Das subjektive Merkmal der Freigebigkeit entfalle trotz Kenntnis der Unentgeltlichkeit, wenn der Zuwendende nachweise, dass die Bereicherung des Bedachten der Förderung des Geschäfts des Zuwendenden diene, also objektiv und nahezu ausschließlich auf die Erzielung geschäftlicher Vorteile gerichtet sei. Wie Weinmann[9] zutreffend feststellt, liegt in der Entscheidung das verdeckte Eingeständnis, dass die Beschränkung auf den Willen zur Unentgeltlichkeit zu kurz greife und die Freistellung besteuerungsunwürdiger Vorfälle letztlich doch auf eine Bereicherungsabsicht bzw. auf einen Willen zur schenkweisen Zuwendung i. S. v. Hannes/Holtz hinausläuft.

 

Rz. 303

Auch wenn aus Sicht der Praxis die Entscheidung zu begrüßen ist, muss beachtet werden, dass der Steuerpflichtige die objektive Beweislast dafür trägt, dass die Zuwendung der Förderung des Geschäfts des Zuwendenden gedient hat und die Zuwendung "objektiv und nahezu ausschließlich auf die Erzielung geschäftlicher Vorteile des Zuwendenden gerichtet" gewesen sei. Diesen Nachweis wird der Steuerpflichtige kaum erbringen können.[10] Deshalb muss es mit Viskorf[11] genügen, wenn der Steuerpflichtige in nachvollziehbarer Weise vorträgt, dass seine Bereicherung "der Förderung des Geschäfts des Zuwendenden diente, d. h. objektiv und eindeutig der Verfolgung geschäftlicher Interessen des Zuwendenden zugeordnet werden" könne. Diesbezüglich kann sich der Zuwendende auf die bereits vom RFH[12] geprägte Formel berufen, dass Kaufleute sich nichts zu schenken pflegen. Im Ergebnis läuft die Rspr. des BFH zumindest auf die Feststellung eines Bereicherungswillens im Geschäfts- und Wirtschaftsverkehr hinaus. Insofern könnte man dogmatisch für den subjektiven Tatbestand des Schenkungsteuerrechts an den von Schreiber[13] entwickelten wirtschaftlichen Entgeltlichkeitsbegriff anknüpfen. Schreiber sah für den Ausschluss der Unentgeltlichkeit eine rechtliche Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung als nicht notwendig an. Für den Begriff der Entgeltlichkeit sei es ausreichend, wenn die Zuwendung den Gegenwert für etwas Empfangenes oder künftig zu Empfangendes dars...

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