Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 12.7.2022 – VIII R 8/19
[Ohne Titel]
RA, FAStR/FAStrafR Dr. Rainer Spatscheck / RAin, FAinStR Lea Wimmer / RA Michael Wuschko
Der BFH hat sich nach langer Zeit wieder einmal mit dem Problemfeld "Flankenschutz" befasst und mit seinem Urteil v. 12.7.2022 – VIII R 8/19 deutliche Einschränkungen für dessen Praxis ausgesprochen. Tragend waren dabei Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Wohnungsbesichtigung als Ermittlungsmaßnahme sowie des Einsatzes der Steuerfahndung zu deren Ausführung. Die Entscheidung ist im Ergebnis sehr zu begrüßen, lässt aber einige Fragen offen. Der nachfolgende Beitrag will deshalb den Widerhall der Entscheidung verstärken und unter Darstellung des Entscheidungsinhalts die zentralen Problemstellungen näher beleuchten.
I. Einführung
Der Begriff des Flankenschutzes ist im Zusammenhang mit Finanzbehörden erklärungsbedürftig. In Nordrhein-Westfalen wurden zur Unterstützung der Veranlagungsfinanzämter flankierende und für den Außendienst vorgesehene Sachverhaltsermittler als "Flankenschutz" eingerichtet, die sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zudem der Mitwirkung der im Außeneinsatz erfahrenen Steuerfahndung (Flankenschutz-”Fahnder” oder "-Prüfer") bedienen, die doppelfunktional auftritt: Eines ihrer Gesichter ist auf das Strafverfahren gerichtet, während das andere das Besteuerungsverfahren in den Blick nimmt ("Janusköpfigkeit").
II. Sachverhalt
In dem vom BFH entschiedenen Fall machte eine Steuerpflichtige im Zusammenhang mit ihren Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Anfrage des Finanzamts reichte ihr Steuerberater eine Wohnungsskizze ein, die beim Finanzamt allerdings Zweifel schürte, ob das vorgetragene Arbeitszimmer tatsächlich existierte. Nach Veranlagung unter Vorbehalt der Nachprüfung bat der zuständige Sachbearbeiter den hausinternen "Flankenschutz", bei dem es sich um einen Beamten der Steuerfahndung handelt, um Besichtigung der Wohnung.
Dieser erschien unangekündigt vor der Privatwohnung der späteren Klägerin und legte seinen Dienstausweises vor. Als nach Hinweis auf eine Überprüfung im Rahmen des Besteuerungsverfahren kein Widerspruch gegen die Besichtigung erfolgte, betrat der Flankenschutzprüfer die Wohnung und stellte fest, dass ein Arbeitszimmer tatsächlich eingerichtet war und überdies weitere Räume vorhanden waren, die in der dem Finanzamt übermittelten Skizze fehlten. Der Flankenschutzprüfer errichtete zu seiner Besichtigung einen Vermerk, wonach die Steuerpflichtige bald in die gegenüberliegende Wohnung umziehen werde und abzuwarten sei, welche Raumaufteilung sich dann ergebe.
Die Besichtigung wurde erfolglos mit dem Einspruch angefochten. Die folgende Feststellungsklage vor dem FG Münster wurde als unzulässig abgewiesen, weil es am notwendigen Feststellungsinteresse fehle.
III. Entscheidung
1. Vorbemerkung
Anders als das FG Münster in erster Instanz sah der BFH bei seiner Entscheidung über die Revision der Klägerin ein Feststellungsinteresse als gegeben an und entschied daher auch zur Begründetheit der Revision.
2. Feststellungsinteresse
a) Wiederholungsgefahr
Im Gleichton mit dem FG verneint der BFH das Vorliegen eines Feststellungsinteresses aus Gründen der Rehabilitierung und wegen eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs, bejaht hingegen – anders als das FG – eine Wiederholungsgefahr, die ein besonderes Feststellunginteresse begründet.
Das FG Münster hat sich gegen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ausgesprochen. Wiederholungsgefahr wird angenommen, wenn die hinreichende Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiges Verwaltungshandeln erfolgen wird.
Der bloße Hinweis der Klägerin auf eine drohende Wiederholung wegen auch in künftigen Veranlagungszeiträumen geltend zu machenden Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer genügte dem FG jedoch nicht. Es fehlte ihm an einer Substantiierung des klägerischen Vortrags. Insb. zog es in Zweifel, ob überhaupt in Zukunft ein weiterer Bedarf bestehen würde, eine Frage zum häuslichen Arbeitszimmer zu k...