Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 55
Art. 3 Abs. 1 GG. Wird einem Steuerpflichtigen ein Entlastungsanspruch bei Erfüllen der Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG versagt, während einem anderen Steuerpflichtigen, der unter sonst vergleichbaren Umständen die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG nicht erfüllt, der Entlastungsanspruch gewährt wird, gerät dies in Konflikt mit dem in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Grundsatz gleichheitsgerechter Besteuerung. Diese Ungleichbehandlung kann nur gerechtfertigt werden, wenn ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung besteht. Dieser sachliche Grund kann in der Bekämpfung von missbräuchlichen Gestaltungen als legitimem Zweck liegen, wobei § 50d Abs. 3 EStG insoweit auch zur Erreichung dieses Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein muss. In diesem Zusammenhang stellt sich aber die Frage, wie zielgenau eine (spezialgesetzliche) Missbrauchsvermeidungsvorschrift sein muss, um eine Ungleichbehandlung durch spezialgesetzlich typisierende Missbrauchsvermeidung verfassungsrechtlich rechtfertigen zu können. Grundsätzlich wird man dem Gesetzgeber auch im Bereich der Missbrauchsbekämpfung einen Rahmen zulässiger gesetzgeberischer Typisierung einräumen müssen. Die Einhaltung dieses verfassungsrechtlich zulässigen Rahmens setzt aber voraus, dass der gesetzliche Tatbestand sich am real typischen Missbrauchsfall orientiert; dem Gesetz darf kein atypischer Fall als Leitbild zugrunde liegen, sondern ihm muss realitätsgerecht der typischen (Missbrauchs-)Fall zugrunde liegen. Der gesetzliche Tatbestand muss daher realitätsgerecht einen Missbrauch indizieren. Wenn der Gesetzgeber diesen Rahmen zulässiger Typisierung eingehalten hat, ist auch die Erfassung tatsächlich nicht missbräuchlicher Fälle gerechtfertigt, wenn die Ungleichheit in der steuerlichen Belastung im rechten Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung steht, d.h die typisierungsbedingten Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist. Das dürfte der wesentliche Unterschied zur Rechtsprechung des EuGH sein, der eine solche Typisierungsbefugnis (wohl) nicht anerkennt und daher stets die Möglichkeit eines Gegenbeweises in jedem Einzelfall fordert (vgl. ausf. Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 41 ff., Rz. 98). Neben einem Abwehrgehalt, enthält Art. 3 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG unter Umständen auch eine Pflicht zur Missbrauchsabwehr, um eine gleichheitsgerechte Besteuerung sicherzustellen. Ein inhaltlich abweichender Pflichtenmaßstab dürfte damit aber nicht verbunden sein.
Rz. 56
Vereinbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG. Für die Vereinbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG kommt es darauf an, ob dieser realitätsgerecht den typischen Treaty- bzw. Directive-Shopping-Fall abbildet und damit in seiner Belastungswirkung seinen Missbrauchszweck erreicht. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass sich eine grundsätzlich nicht entlastungsberechtigte Person durch die Zwischenschaltung einer substanzlosen Körperschaft eine steuerliche Statusverbesserung hinsichtlich der abzugsteuerpflichtigen Einkünfte verschafft (vgl. Rz. 14). Soweit aber § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG (sog. fehlende mittelbare persönliche Entlastungsberechtigung) einen Missbrauch bereits indiziert, wenn die beteiligte Person keinen Anspruch auf derselben Rechtsgrundlage geltend machen könnte (sog. Rechtsgrundlösung, vgl. Rz. 207 ff.), ohne Rücksicht auf einen der Höhe nach äquivalenten Entlastungsanspruch, verfehlt § 50d Abs. 3 EStG diesen typischen Missbrauchsfall. Einer verfassungskonformen Auslegung dürfte grundsätzlich der (sehr) eindeutig erklärte gesetzgeberische Wille entgegenstehen. Möglich erschiene gleichwohl, den gesetzgeberischen Willen so zu deuten, dass nur das "unionsrechtliche Maximum" umgesetzt werden sollte. Der (ex post irrtümlich auf falschen Annahmen gebildete) gesetzgeberische Wille dürfte dann nicht zwingend einer verfassungskonformen Auslegung entgegenstehen. Die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung (dazu Rz. 210), der der gesetzgeberische Wille aus unionsrechtlichen Gründen nicht entgegensteht, dürfte aber – jedenfalls im Ergebnis – ein auch verfassungskonformes Auslegungsergebnis zur Folge haben. Den objektiv gegebenen Verfassungsverstoß beseitigt das letztlich aber nicht.
Rz. 57
Ungleichbehandlung wegen Nichtanwendung im Inlandsfall? Bereits in der Basisgesellschafts-Rechtsprechung des BFH wurde thematisiert, ob die Nichtanwendung des § 50d Abs. 3 EStG in rein innerstaatlichen Fällen eine Ungleichbehandlung darstellt. Nach Ansicht des BFH sei diese Ungleichbehandlung aber dadurch gerechtfertigt, dass durch die Einschaltung einer Körperschaft im Ausland eine endgültige Steuerersparnis erreicht wird, während bei einer Einschaltung einer Körperschaft im rein inländischen Fall kein Steuersubstrat verloren geht, sondern nur ...