Prof. Dr. Jochen Lüdicke, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 179
Funktion des Höchstbetrags. Im Regelfall wird die deutsche Einkommensteuer von dem zu versteuernden Einkommen erhoben. Die ausländischen Einkünfte gehen zwar in das zu versteuernde Einkommen ein. Abzugsbeträge wie Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen können jedoch nicht speziell den inländischen oder den ausländischen Einkünften zugeordnet werden. Deshalb sagt die nach inländischem Steuerrecht ermittelte Höhe der ausländischen Einkünfte nichts darüber aus, welche deutsche Einkommensteuer auf sie entfällt. Die inländische Einkommensteuer wird eben nur von dem zu versteuernden Einkommen und nicht von den Einkünften erhoben. Gerade weil dem so ist, musste der Gesetzgeber in § 34 c Abs. 1 Satz 2 definieren, was er unter der "auf diese ausländischen Einkünfte entfallenden deutschen Einkommensteuer" versteht. Dies geschieht in § 34 c Abs. 1 Satz 2. Die Vorschrift baut letztlich auf Fiktionen auf. Dies mag das folgende Beispiel verdeutlichen.
Beispiel
Der Steuerinländer A erzielt im Jahr 01 |
ausländische Lizenzeinkünfte von |
100 EUR |
inländische Einkünfte i.S. des § 15 EStG von |
500 EUR |
inländische Einkünfte i.S. des § 21 EStG von |
– 120 EUR |
Sonderausgaben von |
– 50 EUR |
zu versteuerndes Einkommen von |
430 EUR |
In diesem Fall lässt sich nicht sagen, dass die ausländischen Einkünfte (100) in voller Höhe oder nur mit einem Teilbetrag oder gar überhaupt nicht mehr in dem zu versteuernden Einkommen (430) enthalten sind. Die ausländischen Einkünfte und das zu versteuernde Einkommen sind vielmehr zwei verschiedene Größen, die getrennt voneinander gesehen werden müssen. Der I. Senat des BFH hat darauf in seinen Urteilen v. 28.10.1987 und v. 8.11.1989 hingewiesen. Daraus folgt, dass die Höhe der nach inländischem Steuerrecht ermittelten Einkünfte außerhalb des § 34 c Abs. 1 Satz 2 schon nichts über die auf sie entfallende inländische Steuer aussagt.
Rz. 180
Formel. § 34 c Abs. 1 Satz 2 begrenzt den Betrag an ausländischen Steuern, der auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden kann, der Höhe nach. Es soll die ausländische Steuer höchstens bis zum Betrag angerechnet werden, der an deutscher Einkommensteuer auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Anrechenbar war bis 2015 danach die ausländische Steuer nur bis zu dem Höchstbetrag, der durch das Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte (einschl. der ausländischen Einkünfte) bezogen auf die sich bei der Veranlagung des Einkommens ergebende deutsche Steuer errechnet wird. Mathematisch ausgedrückt heißt das: Höchstbetrag = deutsche Einkommensteuer multipliziert mit den ausländischen Einkünften dividiert durch die Summe der Einkünfte. Als mathematische Formel ausgedrückt gilt:
Die Formel ist seit 2015 allgemein und vorher in offenen Fällen wie in Anm. 183 näher erläutert in ihrer geänderten Fassung anzuwenden. Wichtig ist, dass die aus einem bestimmten ausländischen Staat stammenden Einkünfte einerseits unter Ausschluss der Kapitaleinkünfte für die Ermittlung der gesamten Einkommensteuer zusammengefasst, andererseits jedoch für jedoch für jeden einzelnen Staat unter Ausschluss der Kapitaleinkünfte zusammengefasst in die Höchstbetragsberechnung eingehen. Erzielt also ein Steuerinländer ausländische Einkünfte aus verschiedenen ausländischen Staaten, so muss für die Einkünfte aus jedem einzelnen ausländischen Staat eine eigene Höchstbetragsberechnung durchgeführt werden, der nur die aus diesem Staat stammenden Einkünfte zugrunde gelegt werden ("per-country-limitation"). Der "per-country-limitation"-Grundsatz lädt damit unter bestimmten Umständen dazu ein, die Einkünfteerzielung möglichst in einem ausländischen Staat zu konzentrieren, um dort Anrechnungsüberhänge und Anrechnungsguthaben, die bei einzelnen aus diesem Staat erzielten Einkünften entstehen können, rechnerisch ausgleichen zu können. Der Gedanke an einen einheitlichen Binnenmarkt innerhalb der EU begründet eigentlich die Forderung nach einer steuerlichen Gleichbehandlung der innerhalb der EU bestehenden Teilmärkte und i.d.S. die Forderung nach einer auf die EU-Mitgliedstaaten bezogenen "over-all-limitation". Umgekehrt lässt sich der "per-country-limitation"-Grundsatz möglicherweise unter dem Gesichtspunkt des gewollten steuerlichen Wettbewerbs zwischen den EU-Mitgliedstaaten wiederum rechtfertigen. Die Frage nach der EU-Rechtskonformität des "per-country-limitation"-Grundsatzes muss heute als ungeklärt angesehen werden (vgl. Kommentierung Vor § 34 c EStG Anm. 21 ff.). Der BFH hat dem EuGH die weitere Frage vorgelegt, ob die mit der Technik der Höchstbetragsermittlung einhergehende Einschränkung der Abzugsfähigkeit der Kosten der persönlichen Lebensführung mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar sei. Diese Frage hat der EuGH mit Urteil v. 28.2.2013 verneint. Der EuGH kommt entsprechend seiner bisherigen Rspr., dass die Gewährung von persönlichen Vergünstigungen Angelegenheit des Wohnsitzstaats sei, zu der Einschätzung, dass die hier...