Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld, Gary Rüsch
Literatur
Urbahns, Das Rangverhältnis von § 50d Abs. 8 und 9 EStG, StuB 2011, 420.
Rz. 115
Allgemeines. Bei Einfügung von § 50d Abs. 9 EStG durch das JStG 2007 v. 10.7.2006 (s. Rz. 5) bis zur Änderung durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 (s. Rz. 7) ordnete § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG für das Verhältnis zu § 20 Abs. 2 AStG und § 50d Abs. 8 EStG ohne weitere Voraussetzungen an, dass die Vorschriften bei einer Konkurrenzsituation (s. Rz. 108) "unberührt" bleiben. Dadurch ist das Verhältnis zu diesen Vorschriften bis zur Änderung durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 (s. Rz. 7) anders zu beurteilen (s. Rz. 116 f.). Für das Verhältnis zu DBA gilt das nicht, weil die Anordnung bis heute unverändert ist (s. Rz. 114).
Rz. 116
Konkurrenz zu § 50d Abs. 8 EStG. Mit der Anordnung, dass § 50d Abs. 8 EStG "unberührt bleibt", wurde eine voraussetzungslose Anwendungsreihenfolge zugunsten dieser Vorschrift normiert, d.h. unabhängig davon, welche Vorschrift eine weitergehende Einschränkung der abkommensrechtlichen Steuerfreistellung (s. Rz. 111) bewirkt. Wenn also die Tatbestandsvoraussetzungen der anderen Vorschriften (was auch eventuelle Ausnahmeregelungen umfasst) erfüllt waren, konnte § 50d Abs. 9 EStG nicht "auffangend" zur Anwendung kommen (um z.B. eine weitergehende Einschränkung durchzusetzen), sondern wurde verdrängt. § 50d Abs. 9 EStG konnte nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anderen Vorschriften nicht vorlagen. Das wurde durch den BFH bestätigt. Als unterstützendes Argument für die vorrangige Anwendung von § 50d Abs. 8 EStG kam in konkreten Fall hinzu, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit streitgegenständlich waren, für die § 50d Abs. 8 EStG die speziellere Vorschrift ist.
Rz. 117
Konkurrenz zu § 20 Abs. 2 AStG. Wie das Verhältnis zu § 20 Abs. 2 AStG zu beurteilen ist, wurde im Schrifttum unterschiedlich diskutiert. Verneint man bereits, dass es überhaupt zu einer Konkurrenzsituation kommen kann, weil die Vorschriften aufgrund unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen nicht auf ein und denselben Sachverhalt anwendbar sind, ist keine Kollision aufzulösen. Dann konkurrieren die Vorschriften nicht, sondern sind nach- oder voreinander anwendbar, weshalb § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG a.F. in diesen Fällen keine Wirkung hat und – wenn auch begrifflich missglückt – als "klarstellend" bezeichnet werden kann. Es sind aber Fälle denkbar, in denen ein und derselbe Sachverhalt die Tatbestandsvoraussetzungen beider Vorschriften erfüllt. Allein das ist für die Frage einer Konkurrenzsituation maßgeblich, es kommt dann nicht mehr darauf an, ob die "Stoßrichtungen" beider Vorschriften vergleichbar sind. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen beider Vorschriften erfüllt, wird das Konkurrenzverhältnis durch § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG a.F. zugunsten von § 20 Abs. 2 AStG aufgelöst, weil mit der Formulierung "bleiben unberührt" ein uneingeschränkter Anwendungsvorrang (s. Rz. 110) zugunsten von § 20 Abs. 2 AStG festgeschrieben wird und zwar unabhängig davon, welche Vorschrift eine weitergehende Einschränkung der abkommensrechtlichen Steuerfreistellung (s. Rz. 111) bewirkt. Im Schrifttum wurde aber auch diskutiert, ob durch die Nichterfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 AStG eine Verdrängung von § 50d Abs. 9 EStG stattfinden kann. Anders gefragt, kann sich eine Verdrängung bereits dadurch ergeben, dass ein Sachverhalt nicht missbräuchlich i.S.v. § 20 Abs. 2 AStG ist (z.B. weil keine passiven Einkünfte i.S.v. § 8 Abs. 1 AStG gegeben sind)? Eine solche Wirkung ist aber ausgeschlossen. Das ergibt sich gesetzessystematisch, weil eine Verdrängung nur dann stattfinden kann, wenn die Tatbestandsvoraussetzung erfüllt werden – andernfalls ergibt sich eben keine Konkurrenzsituation. § 8 Abs. 1 AStG verlangt, dass die Einkünfte "nicht [aus aktiven Einkünften] stammen". Liegen aktive Einkünfte vor, ist der Tatbestand – als zentrale Voraussetzung für eine Verdrängungswirkung – nicht erfüllt. Andernfalls müsste man die Verdrängung auch in den Fällen bejahen, in denen zwar passive Einkünfte vorliegen, die aber nicht niedrig i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG besteuert werden, weil dieser Fall dann ebenfalls nicht missbräuchlich nach den Vorgaben der Hinzurechnungsbesteuerung ist.
Rz. 118
frei