Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld, Gary Rüsch
a) Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen
„...
- 1. der andere Staat die Bestimmungen des Abkommens ... anwendet, ...”
Rz. 60
Der andere Staat. Die gesamte Vorschrift stellt auf den anderen Vertragsstaat ab ("der andere Staat"). Das wird für gewöhnlich der abkommensrechtliche Quellenstaat sein, muss es aber nicht (s. Rz. 54).
Rz. 61
Die Bestimmungen des Abkommens. Aus der Formulierung "die Bestimmungen des Abkommens" folgt, dass es "nur" um Doppelbesteuerungsabkommen geht. Resultiert das schädliche Besteuerungsergebnis (s. Rz. 65, 69) aus anderen Gründen (z.B. aus dem innerstaatlichen Recht), eröffnet sich der Anwendung von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht. Das ist vor dem Hintergrund der zu erfassenden Sachverhalt sachgerecht, auch wenn die korrespondierende Besteuerung damit an sich weniger effektiv verwirklicht wird.
Rz. 62
"anwendet". Aufgrund der Formulierung "anwendet" wird in der Literatur diskutiert, ob der andere Vertragsstaat das DBA anwenden muss, damit § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG einschlägig ist. Eine tatsächliche Abkommensanwendung ist allerdings aus zwei Gründen nicht erforderlich. Erstens, weil der Wortlaut ("von der Besteuerung auszunehmen sind " und "besteuert werden können ") als abstrakte Voraussetzung zu verstehen ist (s. Rz. 68, 70), weshalb es auf eine tatsächliche Abkommensanwendung nicht mehr ankommt. Zweitens lässt sich "Anwendung" auch als "Nichtanwendung" verstehen, vergleichbar mit den unter "Einkünfte" fallenden negativen Einkünften (s. Rz. 50). Das überzeugt auch teleologisch, weil die Vorschrift ansonsten bei einem auf die Abkommensanwendung bezogenen Qualifikationskonflikt nicht anwendbar wäre.
b) Erfassung von Qualifikationskonflikten
"... so ..."
Rz. 63
"so". Mit der Formulierung "so" will der Gesetzgeber die Erfassung von Qualifikationskonflikten ausdrücken. Gemeint ist, dass der andere Staat den entsprechenden Sachverhalt einer von Deutschlandabweichenden Abkommensbestimmung zuordnet. Auf den Grund dafür kommt es nicht an. Dass sich die Erfassung von Qualifikationskonflikten allerdings aus dem Wörtchen "so" ergeben soll, spiegelt sich nicht im Wortlaut wider. Statt die Voraussetzung – wie im Referentenentwurf des JStG 2007 noch deutlich enthalten – als ausdrückliche Tatbestandsvoraussetzung zu normieren (was auch einfach möglich gewesen wäre), ist die missglückte Formulierung"so anwendet" nicht auf Qualifikationskonflikte zugeschnitten, weil sie grammatikalisch nur den Zusammenhang zur (dann folgenden) Voraussetzung einer Nicht- und Niedrigbesteuerung (s. Rz. 65, 69) herstellt, die aber auch gewollt sein kann, wie das Beispiel des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs zeigt. Hier würde die Steuerfreistellung bei gleichzeitiger Nichtbesteuerung der deutschen Abkommensvorstellung entsprechen, was in der aktuellen Fassung dem Wortlaut nach zu versagen sein könnte. Das Erfordernis einer abweichenden Abkommensanwendung ergibt sich nur aus dem Gesamtkontext der Vorschrift, insbesondere aus der Gesetzesbegründung. Das ist dann aber wiederum auch ausreichend, weshalb "nur" die Kritik an der nicht gelungenen Gesetzgebungstechnik verbleibt.
Rz. 64
Vergleich zu Art. 23 Abs. 4 OECD-MA. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG hat sein "Vorbild" in Art. 23A Abs. 4 OECD-MA (s. Rz. 2), der bereits seit dem Jahr 2000 für abkommensrechtliche Qualifikationskonflikte eine Einschränkung der Freistellungsmethode enthält, aber noch nicht in allen deutschen DBA umgesetzt ist. Im Schrifttum wird kritisiert, dass die innerstaatliche Vorschrift "deutlich" über die Vorgaben von Art. 23A Abs. 4 OECD-MA hinausgehen würde, weil sie Qualifikationskonflikte "jedweder Art" erfasst. Das ist zwar richtig (s. Rz. 62), nur ist darin kein Unterschied zu Art. 23A Abs. 4 OECD-MA festzustellen, der einen nahezu identischen Wortlaut hat ("Absatz 1 gilt nicht für Einkünfte oder Vermögen einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person,...